Dienstag, 26. Juli 2022

Friedenslage am 26.07.2022 (14:30:25)

Ein Text eines Osteuropa-Historikers, Professor, aus der FAZ über die
Ukraine
https://twitter.com/IlkoKowalczuk/status/1551505812866179073/photo/1
(Muss man mit einem Grafik-Programm vergrößern, dann lässt es sich gut
lesen.)
Momentan geht es darum, ein neue Interpretation der jüngeren Geschichte
erst zu formulieren, um sie dann durchzusetzen. So recht gelingt das
noch nicht. Der Autor dieses Artikels etwa wirft Russland mit einer
Definition Völkermord in der Ukraine vor, die auch Putin verwendet haben
könnte, als er zu Beginn des Krieges der Ukraine Völkermord im Donbass
vorwarf. Der Autor lässt ferner den gesamten international-politischen
Kontext weg. - Langt nicht, da muss noch gearbeitet werden, wenn das
zukünftige Bild halbwegs in sich stimmig sein soll.




„Frankenstein-Politik gegen Russland - Weltwoche Daily CH, DE
25.07.2022"
https://www.youtube.com/watch?v=NA6nn3EM8lo
Ein Video mit Roger Köppel. Köppel ist ein umstrittener Mann, gehört in
der Schweiz in die gerade noch akzeptierte politische rechte
Ecke. Trotzdem - er würde sagen: deshalb - lohnt der Abschnitt bis
Minute 25. Seinem Demokratie-Verständnis kann man schwer widersprechen,
seine Kritik der westlichen Russland-Politik trägt er sehr engagiert
vor.




Deutschland in der Hand des Despoten
https://www.rnd.de/wirtschaft/putins-gas-deutschland-in-der-hand-des-despoten-NL4WMDNDBVEYZKBTH5D3NRZOPI.html
Es scheint so, dass man hierzulande völlig vergessen hat, wer zuerst an
den Gasventilen gedreht hat. Im März dJ gab es heftige Debatten, ob man
gleich oder erst nach dem nächsten Winter auf die russischen Lieferungen
verzichten soll. Und nun hat der andere schuld, weil man sich
überschätzt hat. Schon irre.




Interessantes Interview mit Oberst Richter
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/russland-ukraine-krieg-kriegsziele-selenskyj-richter-100.html





Gestern habe ich kuriose Sätze von einer Seite der Landeszentrale für
politische Bildung Baden-Württemberg zitiert. Heute finde ich sie dort
nicht mehr. Hatte ich mich getäuscht? Oder ist dort aufgefallen, dass
man besser redigieren muss?

Montag, 25. Juli 2022

Friedenslage am 25.07.2022 (16:56:00)

„Werden Waffenlieferungen zu riskant?"
https://www.zeit.de/2022/30/ukraine-krieg-waffenlieferungen-eskalation/komplettansicht  

Hier eine Inhaltsangabe:
https://www.focus.de/perspektiven/top-experten-streiten-ueber-weg-aus-dem-krieg-wir-muessen-putin-etwas-anbieten_id_121286713.html
Deutlich wird, dass die Waffenlieferanten keine politischen
Vorstellungen von einem eigenen Ziel des Kriegs, eines
Waffenstillstandes und eines Friedens haben. Das soll die Ukraine selbst
entscheiden. Als ob sie das in eigener Souveränität könnte: „Zwischen
Skylla und Charybdis - Helmut Ganser, General a.D."
https://taz.de/Debatte-um-deutsche-Waffenlieferungen/!5866877/

,----
| Die ukrainische Führung entscheidet damit zwar formal souverän über ihre
| Kriegsziele und darüber, ob und wann sie zu Verhandlungen mit Moskau
| bereit ist. Sie ist jedoch von den amerikanischen
| Unterstützungsleistungen abhängig, die den Handlungsspielraum des
| ukrainischen Präsidenten Selenski praktisch einrahmen. Auf der
| Hinterbühne des Geschehens wirkt die geopolitische Ebene des Konflikts,
| das machtpolitische Ringen zwischen Moskau und Washington.
`----




„Lawrow bestätigt Moskaus Pläne für Regierungswechsel in der Ukraine"
https://www.tagesspiegel.de/politik/vom-regime-befreien-lawrow-bestaetigt-moskaus-plaene-fuer-regierungswechsel-in-der-ukraine/28545996.html

,----
| Russland strebt offiziell einen Sturz der Regierung in Kiew an. Das
| teilte Außenminister Lawrow mit – und revidiert so seine Aussagen vom
| April.
`----

„Lawrow: Russland wird ukrainischen Bürgern helfen, das volksfeindliche
Regime loszuwerden" - Russische Zeitung, die nicht als Putin-nah
eingeschätzt wird
https://www.kommersant.ru/doc/5479857

,----Edge Translate
| "Das russische und ukrainische Volk werden weiterhin zusammenleben. Wir
| werden dem ukrainischen Volk definitiv helfen, das Regime loszuwerden,
| das absolut volksfeindlich und ahistorisch ist ", sagte Sergej Lawrow,
| der auf Englisch sprach (zitiert von Interfax). "Es tut uns leid für
| diejenigen, die der staatlichen Propaganda des Kiewer Regimes erlegen
| sind, und für diejenigen, die sie unterstützen, um sicherzustellen, dass
| die Ukraine zum ewigen Feind Russlands wird", sagte Lawrow und stellte
| fest, dass diese Versuche zum Scheitern verurteilt sind.
`----
Die Ansage, es gehe Russland darum, mit seinem eigenen Militär Kiew
einzunehmen und dort eine Regierung einzusetzen, ist das nicht, nimmt
man es wörtlich. Vielmehr muss will danach Moskau eine ukrainische
Volksbewegung stützen, die die Regierung in Kiew stürzt.

Probleme dabei:

1. Das kann ja jeder sagen. Und meint doch: Wir wollen,
die Regierung stürzen und auswechseln, und wenn es nicht mit anderen
Kräften in der Ukraine zusammen geht, dann machen wir es allein.

2. Mag sein, dass es politische Kräfte in der Ukraine gibt, die die
jetzige Regierung stürzen wollen, sie sind jedoch nicht bekannt.

Zwei Möglichkeiten:

1. Lawrow schätzt die Kräfte so ein, dass die Ukraine und ihre
Verbündeten inzwischen auf der Verliererseite sind. Kann sein, kann
nicht sein. Von solchen Ansagen sollte man nur ausgehen, wenn die
Kräfteverhältnisse und die Bewegungen völlig klar, wie etwa 1944. Das
sind sie aber nicht.

2. Lawrow pumpt sich auf, inszeniert eine Gefahr, ein Kräfteverhältnis,
das es gar nicht gibt, um die andere Seite zu beeindrucken.

Diese andere Seite ist so einheitlich jedoch nicht. Der Westen, vor
allem die USA, liefert zwar Waffen, um Russland zu stoppen, aber nicht
so viele und solche, mit denen die Ukraine die Überlegenheit gewinnen
könnte. Anders gesagt: Dem Westen ist es egal, was in der Ukraine und
mit den Ukrainern geschieht, Hauptsache, die ukrainische Regierung
beschäftigt Russland militärisch. Dann könnte diese Aussage Lawrow
vielleicht als die Mitteilung an den Westen verstanden werden: Reißt
euch mal zusammen, bringt Ordnung in euren Laden und präsentiert uns
eine Regierung, mit der wir - und jene Ukrainer aus den Grenzen von
2013, für die zu sprechen wir beanspruchen - klar kommen können. Die
gegenwärtigen Auseinandersetzungen in der Regierung (und um die
Massenmedien) werden vielleicht als Anzeichen von Instabilität gesehen.

Ein eindeutiger Schritt zum Frieden sähe anders aus. Aber so lange die
andere Seite auch kein verhandelbares Kriegsziel benennt, ist alles
möglich: Jedes Ziel, jede Rhetorik. Genau jetzt wäre es nötig, dass in
einem neutralen Staat Diplomaten, Journalisten, Politiker oder wer auch
immer ganz vertraulich zusammen kämen, vielleicht zu Spaziergängen, um
von der anderen Seite was zu hören. In den früheren Jahren des Kalten
Kriegs hat es solche Gespräche unterhalb der offiziellen Verhandlungen
gegeben, manchmal ließ eine der beiden Seiten ein „Non-Paper" zurück,
das dann nach Hause gemeldet wurde.

https://www.heise.de/tp/features/Nun-doch-Moskau-bestaetigt-Regime-Change-Plan-in-Ukraine-7189225.html?seite=all





Wishfull-Thinking - Die Autorin, gelernte Politikwissenschaftlerin, kann
zwischen Waffenstillstand und Friedensvertrag nicht unterscheiden.
https://www.zeit.de/politik/2022-07/russland-ukraine-krieg-waffenstillstand-wladimir-putin-kriegsziel/komplettansicht
Wesentlich näher an den Dingen:
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/warum-der-ukraine-krieg-eingefroren-werden-muss



Über die Himars-Syteme
https://www.heise.de/tp/features/Himars-im-Ukrainekrieg-Wie-effektiv-ist-die-Wunderwaffe-7185984.html?seite=all



Eine vom Auswärtigen Amt finanzierte Seite, die die Außenpolitik nach
der „Zeitenwende" diskutieren und popularisieren soll:
https://fourninesecurity.de/
Ein leitender Text der Außenministerin
https://fourninesecurity.de/2022/07/21/sicher-leben
Für eine konfrontative Politik, aus Polen
https://fourninesecurity.de/2022/07/21/leitlinien-f%C3%BCr-die-zukuenftige-sicherheitsordnung-in-europa


Durchhalten!
https://epaper.zeit.de/article/c4c094f7edbc38b9a0f3f833df80aa835b2142d071a7527a6cd407c022649529





Der Krieg in der (amtlichen) politischen Bildung
https://www.lpb-bw.de/ukraine-tagebuch#c88342

,----
| Historisch gesehen sind die Ukrainer ein sesshaftes Volk, dessen
| Vorfahren Bauern waren. Der einzigartige ukrainische Schwarzboden
| ermöglichte es unseren Vorfahren, sich selbst zu ernähren und nicht
| irgendwohin ziehen zu müssen.
|
| Die Vorfahren der Russen sind Nomaden. In Russland gibt es keinen
| solchen schwarzen Boden (nur an einigen Orten in der Nähe der
| Ukraine). Die Vorfahren des modernen russischen Volkes waren gezwungen,
| irgendwohin zu ziehen, jemanden zu erobern, aggressiver zu sein, um sich
| selbst Lebensbedingungen zu verschaffen. Der Nomade hat keine Bindung an
| das Land. Er ist es gewohnt, umherzuziehen.
|
| Die Ukrainer hingegen sind sparsam, verwurzelt in dieser sehr sesshaften
| Lebensweise, sowie in dem Wunsch, das zu schützen, was man hat und ein
| Höchstmaß an Friedfertigkeit zu erreichen. Um es einfach auszudrücken:
| Die Ukrainer waren noch nie Invasoren. Wir sind nicht daran
| interessiert, anderen etwas wegzunehmen, sondern es ist uns wichtig,
| unser Eigenes zu schützen und zu entwickeln.
`----

Kommentar dazu: https://www.nachdenkseiten.de/?p=86230 Oder sowas:
https://www.lpb-bw.de/fileadmin/lpb_hauptportal/pdf/machs_klar/2022/mk52/krieg_ukraine.pdf

https://www.bpb.de/shop/materialien/was-geht/507419/broschuere-zum-krieg-von-russland-gegen-die-ukraine/
https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/BPB_Wasgeht_Sonderausgabe_Ukraine_PH_Doppelseiten.pdf
https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Bpb_Wasgeht_Russland-Ukraine-Krieg_Einzelseiten.pdf
Kommentar dazu: https://www.nachdenkseiten.de/?p=85208

https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Bpb_Ukraine-Krieg_220603_UA_Doppelseiten.pdf
(scheint vom Netz genommen, durch die PDFs oben ersetzt zu sein)
https://www.jungewelt.de/artikel/428995.propaganda-zentrale-f%C3%BCr-politische-blendung.html




Unsere Außenministerin
Original
https://www.youtube.com/watch?v=S_buMaawu5A&t
Gekürzt
https://www.youtube.com/watch?v=cEFDRDI3YIk&t
Zusammengestellt
https://twitter.com/anchapi1/status/1550410331520114688?s=21&t=kVxQCig9Cz5EbMSqhReCbQ




Nachtrag: Die Stellungnahme der gestern erwähnten Strategie-Experten
findet sich hier
https://www.ispk.uni-kiel.de/de/aktuelles/volltexte/stellungnahme-deutscher-strategen

Samstag, 23. Juli 2022

Friedenslage am 23.07.2022 (18:00:10)

Stellungnahme deutscher oder in Deutschland tätiger Strategieexpertinnen und –experten zur deutschen Politik angesichts des Ukraine-Krieges — Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (uni-kiel.de)

,----
| Stellungnahme deutscher oder in Deutschland tätiger
| Strategieexpertinnen und –experten zur deutschen Politik angesichts des
| Ukraine-Krieges

Die Überschrift lässt vermuten, dass die Autoren/Unterzeichner im
Bereich der Militärwissenschaften tätig/erfahren sind. Sie müssten
Expertise in „Strategie" als der Wissenschaft von den „Gefechten zum
Zwecke des Kriege" sein. Ein Experte wäre jener, der Auskunft über die
Führung und Durchführung kleinerer und größere Gefechte in gegenwärtigen
Kriegen kann, und, da Strategie eine praktische Wissenschaft ist, solche
Gefechte und ihren Gebrauch entwerfen kann.

Schaut man sich die wissenschaftlichen Biografien und die Publikationen
der Autoren/Unterzeichner an, dann sind die meisten mit jenem
Zwischenbereich von Politik und Militär befasst, in dem es um Bündnisse,
Macht, Stationierungen, Konfrontationen etc geht, bei dem militärische
Kenntnisse zwar nützlich, aber oft nicht erforderlich sind. Es reicht
der große Blick für Freund und Feind.

Da „Strategie" aber - wie jeder Schach-Hobbyist weiß - damit zu tun hat,
den anderen mit geheimen Gedanken in unübersichtlicher Lage zu
übertricksen, muss jene Strategie, der sich diese Experten hingeben,
eine Wissenschaft sein, für die es eines besonders durchdringenden
Blick, mindestens aber einer besonderen Gabe bedarf. Auf solche Experten
muss man ebenso hören wie auf wissenschaftlich und praktisch besonders
erfahrene Ärzte und Architekten. - Könnt aber sein, dass es sich nur um
besonders talentierte, aber allemal gut bezahlte Rätselbrüder und
-schwestern handelt.

Insofern: Vielleicht Etikettenschwindel


| 14. Juli 2022
|
| Erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 14.7.2022.
|
| Wir sehen mit großer Sorge, dass in der politischen Debatte in
| Deutschland zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine immer wieder
| Forderungen nach einer nicht näher definierten und sofortigen
| „politischen Lösung" oder nach einem „Waffenstillstand" um jeden Preis
| aufkommen. Der Wunsch nach einem baldigen Waffenstillstand und nach
| einer politischen Lösung ist nachvollziehbar, aber solange Russland die
| völlige Unterwerfung der Ukraine mit Waffengewalt durchsetzen will,

Die Strategieexperten kennen also die Kriegsziele Russlands. Und sie
kennen sie so genau, dass sie aus ihrer Kenntnis heraus Ratschläge geben
können. Nur entfalten sie ihre Kenntnisse nicht. Dennoch gilt ein
Dekret:

| besteht für eine seriöse diplomatische Lösung derzeit leider kein
| Spielraum. Auf keinen Fall darf die Souveränität und Freiheit anderer
| Völker Gegenstand westlicher Verhandlungsangebote sein. Die

Gemeint ist: Ein Friedensvertrag, in dem die westlichen Mächte die
Ukraine zwingen, Teile ihres Staatsgebietes an Russland abzutreten. Da
die Ukraine inzwischen ohne ständige Geld- und Materialzuflüsse von
außen als Staat nicht mehr lebensfähig wäre, ist es natürlich schwierig,
von ihr als einem souveränen Staat zu sprechen. Na gut, das gilt für
manche Staaten, „Souveränität" ist oft nur eine juristische Fiktion,
allerdings eine notwendige-nützliche.

„Souveränität von Völkern" ist jedoch eine eigenartige Formulierung. Im
Völkerrecht spricht von souveränen Staaten, gerade im Unterschied zu
Völkern. Ein Staat kann aus verschiedenen Völkern bestehen, die
gemeinsam an der Souveränität ihres Staates teil haben, aber selbst
nicht souverän sind. Sind die Völker /im Staat/ auch ihm gegenüber
souverän, können sie den Staat verlassen, wenn sie wollen. Nun käme es
nur noch darauf an, was unter Volk zu verstehen ist - dass die
Institutionen und die Bevölkerung der Krim die Ukraine verlassen
wollten, als der Zentralstaat auf einmal eine Regierung hatte, die
nicht verfassungskonform zustande gekommen war, kann mit diesem Ansatz
schwerlich kritisiert werden.

| Bundesregierung sollte ihre mittel- und langfristigen Erwartungen und
| Ziele verdeutlichen und besser kommunizieren, auf was sie sich
| vorbereitet. Notwendig ist eine stringente, nachvollziehbare Strategie,
| die öffentlich vermittelt wird.

Stimmt schon, trifft aber auf die Gesamtheit des Westens zu. Die Nato
hat auf ihrem Gipfel in Madrid zwar die Unterstützung der Ukraine
beschlossen, aber kein Ziel ihrer Ukraine-Politik benannt. Jede Menge
materieller und politischer Unterstützung, aber wohin das führen soll,
bleibt unbekannt. Mehr als die Unterstützung der Fähigkeit der Ukraine,
diesen Krieg zu bis zum Erfolg führen, ist in der Abschlusserklärung als
Ziel nicht benannt.

Das ist dasselbe wie: Gar kein Ziel. Jedenfalls keines, das politisch
formuliert und damit vermittelbar wäre. Auf ein Nichts kann aber niemand
warten, deshalb gibt es immer wieder Initiativen, die nach einem
politischen Ende des Krieges verlangen.

Wenn die Nato nicht weiß, wo sie hin will, können die Experten nicht
erwarten, dass die Bundesregierung das weiß und über die Medien ins
Wählervolk transportiert.

|
| Der Angriff Russlands auf die Ukraine stellt eine Zeitenwende dar, die
| in ihren Konsequenzen von Vielen immer noch nicht verstanden wird. Der

Unsere Experten werden uns also aufklären;-)).

| durch Russland ausgelöste Krieg bedeutet eine fundamentale Bedrohung der
| europäischen Sicherheit. Der Misserfolg der russischen Truppen

Hm, eine der Ursachen des Kriegs war doch die Weigerung des Westens,
Russland einen festen Platz in der europäischen Sicherheit, die die
Charta von Paris sie formuliert, einzuräumen, ja dieses
Sicherheitskonzept überhaupt zu verwirklichen. Der Krieg ist also
vielmehr Ausdruck der vorher schon nicht vorhandenen, nicht hinreichend
ausgebauten europäischen Sicherheit.

Was den Misserfolg der russischen Armee angeht: Im Westen schließt man
aus dem anfänglichen Angriff auf Kiew, dass Russland in einer
Blitzaktion die Regierung in Kiew auswechseln wollte, wobei
gleichzeitig auf die Unterstützung großer Teile der Bevölkerung gehofft
hätte. Es mag so gewesen sein, diese Strategie wäre gescheitert. Andere
sagen, dass diese Angriffe zur Tarnung und Täuschung unternommen worden
sind, damit russische Armee im Süden rasch Geländegewinne macht. Es mag
so gewesen sein oder auch anders herum. Auf jeden Fall haben diese
Truppen eine feste Verbindung zwischen der Krim und dem Donbass
geschaffen und dringen im Donbass vor, zwar langsam, aber, wie es
scheint, letztlich erfolgreich.

Ein (möglicher) anfänglicher Misserfolg hat zu stabilen Positionen
geführt. Den Ankündigungen der Regierung in Kiew, sie wollen nicht nur
zu den Einflussbereichen vom Februar zurück, sondern auch die Krim und
die Gebiete der Separatisten/„Volksrepubliken" glaubt eigentlich
niemand. Nach häufig zu lesender Auffassung ist die Wahrscheinlichkeit
groß, dass die russische Armee bis an den Dnepr zurückdrängt.

| verschafft aber der westlichen Politik Möglichkeiten der Einflussnahme
| auf die weitere Entwicklung, die nicht vertan werden dürfen.

Es ist also schon sehr mutig von den Experten, von einer gegenwärtigen
Schwäche Russlands auszugehen.

|
| Lageeinschätzung
|
| In unserer Lageeinschätzung gehen wir davon aus, dass der Angriffskrieg
| Russlands mehrere Jahre systematisch geplant und vorbereitet worden
| war.

Das könnte stimmen. Kriegsplanungen sind der Zweck militärischer
Stäbe. Und dass Russland wie schon die Sowjetunion einen Krieg so
schnell wie möglich auf das Gebiet des Gegners tragen will - die Lehre
aus 1941 - kann unterstellt werden. Einen Angriff der anderen Seite
braucht es dazu nicht unbedingt.

Was allerdings zu klären wäre, ist, wie es kam dass Russland mit einer
Truppe von ungefähr 200 Tausend Soldaten einen Staat mit einer doppelt
so starken Armee angriff. Seit Clausewitz gilt die Faustregel, dass der
Angreifer mindestens drei Mal so stark sein muss wie der
Verteidiger. Diese Regel kennen auch die sowjetisch erzogenen Generäle
der russischen Armee. Warum haben sie trotzdem angegriffen? Alles
Fehleinschätzung? Da werden spätere Militärhistoriker in 30 Jahren in
den Moskauer Archiven noch viele Fragen zu klären haben.

| Auslöser der russischen Aggressionspolitik war der Wunsch nach Festigung
| der Herrschaft einer kleptokratischen Nomenklatur. Aber die westliche

Diese Behauptung macht die Voraussetzung, dass die Ukraine als
(zukünftiges) Vorbild von Demokratie und Wohlstand die Russen dazu
bringen könnte, gegen ihr Herrschaftssystem auf zu begehren. Das ist
nicht eben plausibel: Die Ukraine hat im Schnitt der Bevölkerung einen
der niedrigsten Lebensstandarde Europas, das politische System ist
konkurrenzoligarchisch - das ist ein Unterschied zu Russland -, aber
eben nicht freiheitlich. Die Ukraine dürfte erst nach langen, sehr
langen von der EU angeleiteten Transformationen auf ein wirtschaftlich,
politisch und gesellschaftliches Niveau kommen, das weiter nach Osten
ausstrahlt, wenn überhaupt. Die russischen Eliten brauchten da keine
Eile zu haben, Putin würde es eh nicht mehr erleben.

| Staatengemeinschaft ist konfrontiert mit dem Wiederaufleben eines
| großrussischen Imperialismus, der auf die militärische Unterwerfung
| von

Die Vorgeschichte des Krieges, angefangen bei der Verabschiedung einer
auf der Charta von Paris durch den Westen in den 1990er Jahren, über die
diversen Schritte der Nato-Ostausdehnung über die Anerkennung des
illegalen Regierungswechsels 2014 in der Ukraine, ihre militärische
Anpassung an die Nato, die Ablehnung von von völlig Charta-konformen
Verhandlungen über den sicherheitspolitischen Status der Ukraine
usw. usf. wird einfach weggelassen.

Unsere Strategieexperten eben. Statt genauer Herleitung der gegenwärtige
Lage, wie Strategie sie bräuchte, nur ideologisches Geschwafel.

| Nachbarstaaten und die Zerstörung westlicher Gesellschaften,
| demokratischer politischer Systeme und internationaler Institutionen
| (NATO, EU) abzielt. Russlands Vorgehen stellt den ordnungspolitischen

Hier fehlt nur noch die Behauptung, dass Russland, wird es nicht am
Asowschen Meer aufgehalten, spätestens am Dnepr, bis zum Rhein vorstoßen
wird. (Obwohl es noch nicht mal in der Lage sein soll, Kiew
einzunehmen.)

| Gegenentwurf zur Europäischen Union dar, deshalb ist das, was in der
| Ukraine geschieht, für uns nicht einfach ein bilateraler Konflikt,
| sondern es geht auch um unsere freiheitliche Ordnung und um unsere
| Sicherheit.

Hier wird der Krieg in den von Trump/Pompeo ausgerufenen weltpolitischen
Großkonflikt von demokratischen und autoritären Staaten und
Gesellschaften eingeordnet. Die Ukraine der ethnizistischen Gesetzgebung
mit starkem banderistischen Einfluss in die demokratischen Front
einzuordnen - das ist schon mutig. Oder einfach nur blöd.

| Wir gehen davon aus, dass der russische Überfall zu einem Zeitpunkt
| erfolgte, wo die Modernisierung der russischen Streitkräfte einen Stand
| erreicht hatte, dass dem Kreml eine größere Militäraktion möglich

Na, dass die russische Führung den Zustand ihrer Streitkräfte auf einem
bestimmten Niveau einordnete, - wer hätte das gedacht, würden es ihm
die Experten nicht sagen.

| erschien. Das Ultimatum Russlands an die NATO und an die USA im Dezember
| 2021 war ein klares Signal, dass eine größere Militäroperation
| bevorstand.

Nein. Noch nicht einmal Selenskiy hat es damals so gesehen. Und die
westlichen Führer auch nicht. Denn dann wären sie nicht in Sachen des
Verhältnisses Ukraine/Nato und wegen Minsk2 nicht mit Nichts nach Moskau
gefahren und hätten dann auch noch geglaubt, die Verhältnisse beruhigt
zu haben.

Es gab vielmehr die Vorstellung, man könne Russland bei seinem Versuch,
die Nato/Ukraine-Sache und Minsk2 zu klären, irgendwie beliebig lange
hinhalten, es würde schon nichts passieren.

|
| Der russische Überfall auf die Ukraine verlief allerdings alles andere
| als erfolgreich. Es zeigten sich massive Fehler bei der operativen
| Planung, im Bereich Logistik und bei der Kommunikation. Die mit
| modernsten Flugzeugen ausgerüstete Luftwaffe blieb weitgehend

Immerhin dominiert diese wirkungslose Luftwaffe den Luftraum.

| wirkungslos. Die nominell überwältigend große russische
| Schwarzmeerflotte musste neben dem Verlust ihres Flaggschiffs durch
| Anti-Schiffs-Raketen zahlreiche teils demütigende Verluste

Diese russische Marine - eine ukrainische gibt es faktisch nicht,
seitdem der größte Teil 2014 zu den Russen übergelaufen ist - blockiert
immerhin erfolgreich jeden Militärnachschub über See.

| hinnehmen. Insgesamt wehrten sich die Ukrainer viel effektiver als
| vorhergesagt.
|
|
| Das Invasionspotential der russischen Streitkräfte steckte im Februar
| zum Großteil (zwei Drittel) in den etwa 120 bataillonstaktischen
| Gruppen, die in die Ukraine einmarschierten. Diese Truppen sind seither
| drastisch dezimiert worden und wurden teilweise durch Reservisten
| aufgefüllt, deren Kampfkraft weit hinter der von Berufssoldaten
| zurückbleibt. Die Umstellung der Kriegsziele im April signalisierte,
| dass mit begrenzten Kräften versucht werden sollte, zumindest im Donbas
| eine Entscheidung zugunsten des Aggressors herbeizuführen. Mittels des
| unablässigen Einsatzes russischer Artillerie, gegen die die Ukraine
| keine wirklich wirksamen Waffen hat, ist es den russischen Kräften
| binnen zehn Wochen gelungen, begrenzte Geländegewinne unter enormen
| eigenen Verlusten zu machen. Diese Gewinne waren möglich, weil Russland
| Kräfte auf eine überschaubare Region konzentrierte und dort vor allem
| seine Überlegenheit im Bereich der Artillerie zum Tragen bringen konnte.
| Die Ukraine hat dabei erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Die Gefahr
| besteht, dass Russland versucht, in einem lang andauernden
| Abnutzungskrieg die Oberhand zu bekommen. Diese Strategie kann nur
| aufgehen, wenn es Russland gelingt, die westliche Unterstützung für die
| Ukraine zu schwächen, etwa indem durch das Herunterfahren der
| Erdgasversorgung eine Rezession – vor allem in Deutschland – ausgelöst
| wird. Diese Gefahr muss heute benannt und angegangen werden.

Langer Rede kurzer Sinn: Momentan sind die Russen erfolgreich, ohne
Unterstützung aus dem Westen dürfte Russland siegen. Deshalb muss der
Westen was machen, insbesondere Deutschland.

|
| Optionen westlicher Politik
|
| Die westlichen Staaten – und in Sonderheit die Bundesregierung – dürfen
| sich in dieser kritischen Phase nicht dazu hinreißen lassen, die
| schwierige Lage durch schnelle und vermeintlich politische Schritte
| lösen zu können, die im Ergebnis die Lage verschlimmern werden. Vielmehr
| ist eine Strategie notwendig, die auch über den unmittelbaren Krieg
| hinausweist und mindestens die folgenden Elemente enthalten sollte:

Eine Strategie deutscher Regierungen wäre zunächst einmal auf das
Grundgesetz verpflichtet. Art 1 sagt:

,----
| Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
|
| Art 1
|
| (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
| schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
|
| (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und
| unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
| Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
|
| (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende
| Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
`----

Solche Inhalte scheinen aber nur zu gelten, wenn man die eigene Position
zur Seite der Guten, der Demokratie, gegen die der Bösen, der Autokraten
einordnet. Praktisch-unmittelbar hat das keine Bedeutung. Es wäre dann
Leitlinie einer Politik gewesen, die den Ausbruch des Kriegs mit den
geforderten Zugeständnissen, die für den Westen praktisch keine
Bedeutung haben - keine Nato in der Ukraine, Minsk2 - verhindert
hätte. Man muss es klipp und klar sagen: Der Krieg war verhinderbar, mit
so gut wie nichts an Einsatz und Kosten.

(Einwand: Wenn es um nichts ging, warum hat Russland dann den Krieg
angefangen? -

Für Russland ging es darum, ob demnächst bei Kiew Raketen, die in
minutenschnelle Moskau erreichen, stationiert werden können. Dann
allerdings ist die russische Behauptung, die Bevölkerung von Donezk und
Luhansk sei zu schützen, nur ein Nebengrund, ein Teil von politischer
Inszenierung. Der russische Angriff über die bestehenden Grenzen der
„Volksrepubliken" hat das Leiden und Sterben dort ja nicht vermindert,
ihm vielmehr ein Vielfaches in den anderen Teilen der Ukraine
hinzugefügt. Das Individuum ist nicht die erste Sorge dieser
Kriegsführung, sondern Einfluss und Macht sind es.)

Aber der Krieg wurde (auch und gerade) im Westen eben nicht unter dem
Blickwinkel des Schutzes der vielen einzelnen Menschen betrachtet,
sondern unter Einflussgesichtspunkten: Russland darf einfach mit seinen
Zielen, Absichten und Wünschen nicht durchkommen, Punkt, Schluss,
aus. Russland hat gefälligst nachzugeben.

Genau diese Haltung zeigen unsere Strategie-Experten weiterhin. Was
einmal nicht geklappt hat, muss endlich zum Klappen gebracht werden.

|
| 1. Der westlichen Staatengemeinschaft bleibt derzeit keine andere
| Option, als der Ukraine militärisch und wirtschaftlich massiv unter die
| Arme zu greifen. Militärisch sind vor allem Feuerkraft und
| Gegenangriffsfähigkeit ihrer Streitkräfte zu stärken. Es gilt, durch

Feuerkraft nicht unbedingt Gegenangriffsfähigkeit. Die US-Wunderwaffen,
von denen man jetzt hört, können zwar Lager und Sammlungsräume im
Hinterland zerstören, aber damit sind nur Voraussetzungen für eine
Fähigkeit zum Gegenangriff gegeben.

Erfolgreiche Gegenangriffe bräuchten eine eigene Luftwaffe, die zusammen
mit einer Artillerie über verschiedene Distanzen den Weg frei
schießt und eine Infanterie - etliche andere Waffengattungen wie
Pioniere nicht zu vergessen, um das gewonnene Terrain in Besitz. Solch
ein ukrainische Luftwaffe gibt es nicht. Und die ukrainischen Fußtruppen
des Donbass werden inzwischen mit der Territorial-Verteidigung aus der
Westukraine gefüllt.

(Territorial-Verteidigung, wie dem TV zu entnehmen: die Angehörigen
haben eine Ausbildung von einer Woche, vielleicht etwas mehr. Wer in den
Jahren der Wehrpflicht bei der Bundeswehr war, weiß, dass der Rekrut
in dieser kurzen Zeit höchstens lernt, wo bei einem Gewehr vorn und
hinten ist, niemals jedoch das Verhalten im Gelände hinreichen üben
kann.)

| externe Unterstützung die Ukraine zu befähigen, einen Diktatfrieden
| durch Erhöhung der Kosten für Moskau abzuwenden und Zeit für die
| Wirkungsentfaltung der Sanktionen zu gewinnen. Ansonsten drohen
| weitere

Im Augenblick sieht es eher danach aus, dass Russland seine Ziele
langsam erreicht und dabei ist, seine Friedensbedingungen hoch zu
schrauben.

| gravierende Kriegsverbrechen und Zerstörungen in der Ukraine und ihre
| dauerhafte Schwächung, möglicherweise sogar ihre Unterwerfung. Sollte
| die Ukraine diesen Krieg verlieren, muss damit gerechnet werden, dass
| Russland weitere regionale Kriege plant, um die europäische

Klar, Russland will Polen erobern.

| Sicherheitsordnung zu zerstören. Insbesondere müssen das Niveau und
| die

Es gibt eine europäischen Sicherheitsordnung, die gestört werden könnte,
nur in Ansätzen. Was immer nach der Charta von Paris gestaltet worden
ist, ist durch die konfrontative Nato-Osterweiterung beeinträchtigt
worden. Der gegenwärtige Krieg ist der lang hervor gesehene Zusammenstoß
dieser beiden Konzepte.

| Quantität westlicher Waffenlieferungen an die Ukraine angehoben werden.
|
| 2. Die derzeitige russische Schwäche bietet der westlichen Politik
| Optionen, die auszulassen angesichts der weitreichenden Zielsetzungen
| Moskaus fahrlässig wäre. Die enorme Abnutzung der russischen Berufsarmee
| dürfte erst nach einigen Jahren wieder behoben sein. Dieser Prozess kann
| durch die strikte Aufrechterhaltung westlicher Sanktionen verlangsamt
| werden. Dies betrifft vor allem Exporte von Technologien und
| Materialien, die für die Rüstungsindustrie Russlands bedeutsam sind.

Das kann sein, das kann aber auch nicht sein.

|
| 3. Der Angriff Russland zeigt, dass auch Mitglieder der NATO
| Objekt einer militärischen Aggression werden können. Deshalb muss der

Ja, natürlich kann jeder Staat jederzeit Aggressionsobjekt jedes anderen
Staates sein, auf der ganzen Welt. Nur folgt daraus nicht, dass Russland
einzelne Nato-Staaten angreifen will

| Aufbau einer Verteidigungsstrategie für den Ostseeraum (insbesondere für
| Polen und die baltischen Staaten) hohe Priorität haben. Die NATO hat auf
| ihrem letzten Gipfeltreffen entsprechende Beschlüsse gefasst, die rasch
| umzusetzen sind. Die Bundeswehr muss hier eine führende Rolle einnehmen.
|
| 4. Die westlichen Regierungen, insbesondere die Bundesregierung,
| müssen sich auf die Folgen der zu erwartenden Knappheit bei Erdgas
| einstellen und rechtzeitig die wirtschaftlichen und sozialen Folgen
| abmildern. Die nächsten zwei Jahren werden sehr schwierig werden und es
| bedarf einer politischen Einstimmung darauf und einer konzertierten
| Aktion aller relevanten gesellschaftlichen und politischen Kräfte, die
| hilft, durch die Krise zu kommen.

Es bedarf vor allem intensiver Bitten und Gebete Richtung Kreml: „Putin,
wir wollen Dir schaden, wo immer wir können, liefere uns bitte die
Energie, das Gas dazu! Danach werden wir Deinen Gashahn abdrehen, Du
kannst dann sehen, wo Du damit bleibst, musst nur noch ein paar ganz
wenige Jahre brav sein, und dann haben wir Dich mit Deiner Hilfe
ruiniert!" - Für wie blöd halten die Autoren die russische Führung
eigentlich?

|
| 5. Westliche Staaten müssen sich durch Dekarbonisierung ihrer
| Wirtschaften im Sinne des Green Deals der EU, alternative Energieträger
| (LNG, Atomkraft) und Routen/Pipelines (EastMedPipeline, Southstream
| Lite, TAP, TANAP) sowie die Revitalisierung von Großprojekten wie
| Desertec vollständig von fossiler russischer Energie unabhängig
| machen.

Und bis dahin muss Putin uns aber das Gas liefern! Noch mal gefragt: Für
wie blöd halten die Autoren die russische Führung eigentlich?

|
| 6. Der Angriff Russlands auf die Ukraine muss auch zu einer
| Neubewertung der globalen Prioritäten führen. Dieser Angriff und die
| kaum verhüllte Sympathie Chinas für die Position Russlands lassen
| erkennen, dass wir uns in einer Phase befinden, wo sich die
| demokratischen Staaten einer Allianz machtvoller autoritärer Regime
| gegenübersehen, die die freiheitliche, regelbasierte und auf der
| Zusammenarbeit bei der Lösung globaler Probleme beruhende internationale
| Ordnung beseitigen wollen. In diesem Zusammenhang sollte eine

Könnte ja auch sein, dass diesen Staaten nur nicht gefällt, dass Raketen
unmittelbar vor ihren Grenzen stationiert werden. Könnte ja sein ....

| Neuauflage des TTIP zwischen der EU und den USA zur Stärkung der
| transatlantischen Wirtschaftszone stärker verfolgt werden. Auch gilt es,
| die Arbeitsteilung innerhalb der NATO zu stärken. Europa muss einen
| größeren Anteil an der Abschreckung russischer Militärmacht übernehmen,
| weil die USA zunehmend im indopazifischen Raum gefragt sind.

Da gibt es so manches Gehacke: Die einen wünschen die europäischen
Nato-Armeen als Hilfstruppen der USA in Europa. Wie sehr sich die USA
für das Schicksal der mit den USA verbündeten Staaten und Armeen
interessieren, haben sie in Afghanistan gezeigt. Im Zweifel überlässt
man diese Freunde sich selbst und ihrem Elend. Wenn der Krieg in der
Ukraine schlecht läuft, dürften die USA nicht zögern, die Ukraine ihrem
Schicksal zu überlassen. - Andere wollen genau wegen dieser Gefahr eine
größere „strategische Souveränität" Europas, für die die
militärtechnischen Möglichkeiten allerdings zu fehlen scheinen.

|
| Die westliche Staatenwelt hat realistische Optionen, die es erlauben,
| den Wiederaufwuchs der bedrohlichen russischen Militärmacht zu begrenzen
| und der Ukraine eine militärische Position zu verschaffen, aus der
| heraus diese einen Waffenstillstand zu akzeptablen Bedingungen schließen
| kann. Es wäre gefährlich, in Defätismus zu verfallen und zu glauben, mit
| einer übereilten „diplomatischen Lösung" könnte man Frieden
| schaffen. Eine derartige Politik würde Putin signalisieren, dass
| militärische Invasionen mit Landgewinnen, der Auslöschung souveräner
| Staaten und geopolitischer Machterweiterung belohnt werden.

Das mag ja alles stimmen. Nur haben unsere Strategie-Experten nichts
angeboten, das über das allgemeine Gerede ihrer politischen Ecke hinaus
geht. Gar nichts.
`----

Ein Dokument der intellektuellen und moralischen Hilflosigkeit. Kein
Sirius, sondern tranige Funzel.

Die FAZ hat den Text nach dem ersten Tag hinter den Paywall
geschoben. Das hat verständliche Gründe.

Donnerstag, 21. Juli 2022

Friedenslage am 21.07.2022 (17:06:20)

Der Streit um den Krieg bekommt inzwischen irrwitzige Züge. Die
Ukraine will die russische Schwarzmeerflotte besiegen, obwohl sie
selbst kaum noch Flotte hat, denn die ist 2014 zum guten Teil
übergelaufen, und sie will den Süden der Ukraine bist zur Krim
zurückholen. Bei uns wird getrommelt, die Ukraine habe alle Chancen zu
siegen, wenn sie nur genügend große Kanonen und andere Wunderwaffen
bekommt. - Gleichzeitig erweitert/konkretisiert Russland seine
Kriegsziele, er will die jetzigen von Russland eroberten Gebiete und
noch einiges mehr.

Der Irrwitz der ukrainischen Kriegsziele lässt vermuten, dass es um die
ukrainischen Aussichten schlecht steht. Lawrows Kriegsziele werden in
russischen Massenmedien oft noch radikaler formuliert: Russland müsse
bis in die Westukraine vorstoßen, um dort den Banderismus vollständig zu
besiegen.

Lawrow sieht keine Aussichten auf Verhandlungen. Schon 2021 hat er immer
wieder deutlich gemacht, dass er westlichen Parteien grundsätzlich nicht
als seriöse Gesprächspartner ansieht, zu oft sei man hintergangen
worden. Momentan könnte er der Auffassung sein, Russland sei auf dem
Vormarsch und brauche deshalb keine Verhandlungen mit der anderen
Seite. Vielleicht meint er, die andere Seite werde eines Tages in Sachen
Krieg und Frieden - bitte überschreitet nicht den Dnepr auf ganze Linie!
- ebenso angebettelt kommen, wie Deutschland im Moment Russland um Gas
anbettelt. - Mag ja sein.

Aber Russland könnte damit überfordert sein, die dann großen und weiten
eroberten Gebiete zu beherrschen. Die Vorstellung, die russische Armee
könne in Lemberg/Lwow/Liw (welche Namen gibt es noch?) durch ihre bloße
Anwesenheit den westukrainischen Nationalismus beseitigen, dürfte
unsinnig sein. Das haben in 45 Jahren noch nicht mal die Rote Armee und
die KPdSU geschafft, denn das hat tief gehende kulturelle Wurzeln.

Bei einer Veranstaltung der SPD Schleswig-Holstein 2014 sagte Egon Bahr
sinngemäß, der Staat Ukraine gehöre zu zwei Kulturkreisen, dem
katholischen und dem orthodoxen, da müsse man sehr vorsichtig
sein. Einer der Ursprünge des (west-)ukrainischen Nationalismus liegt in
der griechisch-katholischen Kirche dort. Zwar am orthodoxen Ritus
festhaltend, konvertierte dieser Teil der Orthodoxie der damaligen
Ukraine zum Katholizismus, die polnische Herrschaft verlangte es
so. Später gehörte dieser Teil Ex-Polens zu kuk-Österreich. Diese neue
Herrschaft förderte diese Art von Nationalismus gegen Russland.

So unbedeutend das jenen sein mag, die sich selbst als unreligiös
verstehen: Durch die Ukraine, jedenfalls den Westen, zieht sich nun
die Grenze zwischen West und Ost, zwischen Rom und Byzanz, zwischen
katholisch/lateinisch und orthodox. Diese Grenze war oft
kriegerisch. In Osteuropa stießen das polnisch-litauische
Jagiellonen-Reich und der orthodoxe russische Zar aufeinander[1]. Die
Tiefe dieses Gegensatz zwischen diesen beiden europäischen Kulturen
kennt man im Westen aus Jugoslawien während des zweiten Weltkriegs und
aus der Zeit nach Tito.

In Deutschland gab es einen vergleichbaren Gegensatz während des
30jährigen Kriegs. Der Westfälische Friede war Teil eines
Lernprozesses: Religiöse Gegensätze lohnen keinen Krieg. In anderen
Ländern fehlt diese Erfahrung bis heute. In der UdSSR und in Titos
Jugoslawien wurden diese Gegensätze vom Staat unterdrückt. Als diese
Staaten verschwanden, traten sie wieder hervor, nun gab es zwar
Freiheit, aber keine Erfahrung im Umgang damit. Die alten Dämonen
kehrten zurück.

Die Charta von Paris (1990) ahnte diese Gefahren, sie verpflichtete
deshalb die europäischen Staaten auf die Achtung und Förderung ihrer
Minderheiten. - Aber was kann so ein Text, der nur ein (gemeinsames)
Programm ist, unterschrieben in zwar hoffnungsvollen, aber schwachen
Stunden, gegen 100, gar 1000jährige Gegensätze in der europäischen
Kultur ausrichten, wenn die Notwendigkeit des Lebens mit den
Unterschieden nicht gelernt ist?

Die Ukraine hatte als friedlicher Gesamtstaat nur eine Chance, so
lange die Gegensätze/Spannungen zwischen dem Westen und dem Osten
ausbalanciert wurden. Der Regierungswechsel 2014 an der Verfassung
vorbei ändert dies schlagartig. Wesentliche Kräfte in der neuen
Regierung wollten die Ukraine zu einem Großgalizien umformen[2]. Das
war für viele, vielleicht die meisten politischen Kräfte des
russisch-sprachigen/russisch-orthodoxen Ostens unannehmbar. Sie
stellten die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser
Regierung[3]. Damit begannen die Auseinandersetzungen, die zu den
„Volksrepubliken" und dem Krieg führten.

,----
| Es wird keinen Frieden in der Ukraine geben, solange ihre Innenpolitik
| nicht mit ihrer kulturellen Realität in Einklang gebracht wird.
`----
https://nationalinterest.org/feature/how-break-cultural-gridlock-ukraine-189505

In den letzten Jahren hieß das, dass die Verdrängung des Russischen in
der Ukraine Spannungen erzeugt, einer Demokratie nicht angemessen ist
Grundrechte, zb dass der Pressefreiheit, missachtet. Aber dasselbe
gilt natürlich auch anders herum: Es ist nicht nur unmöglich, die
vielhundertjährige westliche/katholische Vergangenheit des
ukrainischen Westens zu ignorieren, es ist auch falsch, es tun zu
wollen. Wenn, wie es manchmal zu sein scheint, unter „Denazifizierung"
der Ukraine nicht nur zu verstehen ist, dass die russischen Teile der
Ukraine nicht mehr (west-)ukrainisiert werden, sondern die Westukraine
russifiziert werden soll[4], dann wird die eine Katastrophe durch eine
andere ersetzt. Die Besetzten werden sich wehren und wieder als
Partisanen in den Wald gehen. Selbst wenn sie dort militärisch besiegt
werden, die Rote Armee hat dafür viele Jahre gebraucht, wird ihr Erbe
über Jahrzehnte weiter leben. Es wird in 30 Jahren neue Andrej Melnyks
geben.

Frieden wollen sie ja alle, die Ukraine und der Westen auf der einen
Seite, Russland auf der anderen Seite und die Friedensbewegten und
Verhandlungsforderer diesen Seiten gegenüber, sagen sie
jedenfalls. Dabei lassen sich Regelungen eines dauerhaften Friedens
durchaus beschreiben[5]: Von äußerster Bedeutung wird es sein, dass
der Staat sich Nation von (freiwilligen) Staatsbürgern begreifen
kann. Alle ethnizistischen Zwänge der inneren Ordnung - ob
„ukrainisch" oder „russisch" - müssen fallen. Vielmehr wird eine
bewusste Entscheidung zugunsten einer Ordnung nötig sein, die sich
(grob) an der Sprachenpolitik der Schweiz[6] und den dazu notwendigen
föderalen Strukturen orientiert.[7] Solche Lernvorgänge laufen langsam
ab, aber dazu muss man sie erstmal wollen.


https://www.n-tv.de/politik/Ukraine-will-russische-Schwarzmeerflotte-versenken-article23473748.html
https://www.zeit.de/politik/2022-07/russland-ukraine-krieg-waffenstillstand-wladimir-putin-kriegsziel/komplettansicht
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Militaerexperte-sieht-Chance-auf-Sieg-der-Ukraine-article23445193.html
https://taz.de/Russlands-Angriffskrieg/!5869072/
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/lawrow-militaereinsatz-ukraine-krieg-russland-100.html

Lesenswert:
https://www.freitag.de/autoren/jaugstein/deutschland-soll-die-ukraine-unterstuetzen-komme-was-wolle-ist-das-sinnvoll
https://www.freitag.de/autoren/wolfgangmichal/realismus-gegen-idealismus-zwei-denkschulen-und-die-verhandlungsfrage
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/was-kann-wladimir-putin-an-den-verhandlungstisch-bringen
(aber nur per rss)



Fußnote(n)
[1] Ein Beispiel https://de.wikipedia.org/wiki/Polnisch-Russischer_Krieg_1609%E2%80%931618
[2] https://nationalinterest.org/feature/how-break-cultural-gridlock-ukraine-189505
[3] https://www.mediaport.ua/sezd-deputatov-vseh-urovney-v-harkove-tekstovaya-translyaciya
[4] zB https://ria.ru/20220403/ukraina-1781469605.html
[5] zB https://www.thenation.com/article/world/peace-settlement-ukraine/
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Sprachen_in_der_Schweiz#Gesetzliche_Grundlagen
[7] Auch in der Schweiz hat ein aus politisch-religiös-kulturellen
Gründen geführter Bürgerkrieg einen grundlegenden politischen
Lernprozess eingeleitet, durchaus nicht von heute auf morgen.

Dienstag, 19. Juli 2022

Friedenslage am 19.07.2022 (20:42:34)


„Replik auf „Waffenstillstand jetzt!" Schwere Waffen jetzt!"
https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/96-osteuropa-experten-weltweit-fordern-schwere-waffen-jetzt_id_119428660.html

,----
| Eine Gruppe deutscher Intellektueller, Kulturschaffender und Publizisten
| veröffentlichte im Juni den Aufruf „Waffenstillstand jetzt!" - darunter
| Juli Zeh und Richard David Precht. Nun fordern 96 Osteuropa-Experten
| weltweit: Liefert schwere Waffen in die Ukraine! Jetzt! Lesen Sie
| exklusiv auf FOCUS Online ihren offenen Brief.t
`----
Die Autoren betonen ihre Fachkompetenz in Sachen Osteuropa. Sie
beklagen nicht zum ersten Mal, das diese Kompetenz nicht beachtet
wird. Nach meiner Erfahrung: Kenntnisse in regionaler Kunde ersetzen
kein politisches Urteilsvermögen, der Anspruch, wegen „Kompetenz"
vom Publikum und in anderen politischen Fachgebieten besonders beachtet
werden zu müssen, wird nicht eingelöst. Man vergleiche nur die beiden
unteren Texte aus einer Zeitschrift der Bundeszentrale für politische
Bildung. Der erste stammt von einem Fachmann für Internationale Politik,
insbesondere USA, der von einem frisch berufenen Professor für
osteuropäische Geschichte.

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/194824/der-westen-und-die-ukraine-krise/
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/krieg-in-europa-2022/510254/unter-dem-deutschen-radar/
Oder: Der Abstieg der politischen und wissenschaftlichen Kompetenz von
2014 in die Gegenwart. Es geht im zweiten Text um die Konstruktion von
politischen Erzählungen, dieses Mal eine besonders misslungene
Stümperei. Mit solchen Texten ist in Zukunft mehr zu
rechnen. Ausdrückliche Leseempfehlung!




Ein (etwas älterer) Text über die Möglichkeiten von Frieden in der
Ukraine: „Eine Friedensregelung in der Ukraine
Wenn der Krieg jemals enden soll, wird er dies durch eine Form von
pragmatischem Kompromiss tun müssen."
https://www.thenation.com/article/world/peace-settlement-ukraine/
Insgesamt sehr lesenswert. So oder ähnlich wird eine (halbwegs)
erfolgreicher Friedensprozess laufen, wenn er denn überhaupt
beabsichtigt ist.



Oskar Lafontaine über Nordstream2
https://twitter.com/rotesmadel/status/1547666787252154370/photo/1



Der Krieg eskaliert:
https://www.reuters.com/world/europe/russian-defence-minister-prioritise-destroying-ukrainian-missiles-2022-07-18

Ein Generationenbruch in der SPD:
https://www.tagesspiegel.de/politik/gegen-nato-oder-eu-beitritt-der-ukraine-ex-innenminister-otto-schily-warnt-vor-kriegsverherrlichung/28520108.html




„Für 8000 Rubel am Tag pauken Lehrer ukrainischen Kindern
Putin-Propaganda ein"
https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/besetzte-regionen-in-der-ukraine-fuer-8000-rubel-am-tag-pauken-lehrer-ukrainischen-kindern-putin-propaganda-ein_id_119343175.html
Russland „russifiziert" die eroberten Gebiete. Das dürfte in den
russisch-sprachigen Gebieten so schwer nicht fallen. Nach allem, was man
lesen konnte, war Bandera dort kein geliebter
Unterrichtsgegenstand.

Nur: Je „russischer" diese Landstriche werden, desto schwerer wird es
werden, bei einer Friedensregelung über sie zu sprechen. Der Krieg wird
ja erst beendet sein, wenn es eine international anerkannte
Friedensregelung gibt. Man kann sich vielleicht vorstellen, dass die
Krim russisch bleibt, aber dass die Ukraine Cherson abtritt und dieser
Bezirk mit Zustimmung der ganzen Welt nach Russland eingegliedert wird,
liegt momentan außerhalb des Vorstellungsvermögens. Die Ukraine muss
territorial im Prinzip erhalten bleiben, wenn ein Frieden dauerhaft
werden soll.

Je länger der Krieg dauert, desto mehr wird Russland die von ihm
beherrschten Gebiete schon deshalb umbauen, um Ruhe im Hinterland der
Front zu haben.

Je kürzer der Krieg, desto weniger „entukrainisiert" sind diese Gebiete
an seinem Ende. Das aber ist die Voraussetzung dafür, dass der Frieden
auch vor Ort akzeptiert wird. Eigentlich müsste also die Ukraine selbst
Interesse an einem schnellen Frieden haben.



Ein sehr abwägender Beitrag über die Folgen der Sanktionen
https://www.derstandard.at/story/2000137497730/wem-schaden-die-sanktionen-mehr-uns-oder-russland


--
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Sonntag, 17. Juli 2022

Friedenslage am 17.07.2022 (20:17:09)

„Trumps Sicherheitsberater Bolton gibt zu, Umstürze in anderen Ländern
geplant zu haben"
https://www.spiegel.de/ausland/john-bolton-donald-trumps-sicherheitsberater-gibt-zu-umstuerze-in-anderen-laendern-geplant-zu-haben-a-86dd7841-3921-498d-bc83-a1bc9a774764
Nicht, dass man das nicht wüsste. Aber es waren natürlich
„Verschwörungstheorien".



„Neues altes Großmächtekonzert - Chinas Aufstieg und der Ukrainekrieg
beenden die globale Hegemonie der USA. Künftig könnten wieder exklusive
Einflusszonen die Weltordnung bestimmen."
https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/weltordnung-von-morgen-6071/
,----

| Im kommenden Jahrzehnt dürfte die Konkurrenz zwischen den Großmächten
| mit unverminderter Härte weitergehen. Doch wie lässt sich verhindern,
| dass sich an diesen Konflikten ein Weltkrieg entzündet? Und wie kann ein
| Mindestmaß an wirtschaftlicher und politischer Kooperation
| sichergestellt werden, die wir so dringend brauchen, um die großen
| Menschheitsprobleme anzupacken?
|
| In Berlin hört man oft, jetzt gelte es erst recht, Demokratie und
| Menschenrechte mit robusten Mitteln weltweit durchzusetzen. Aber nach
| dem Desaster von Kabul haben selbst liberale Zentristen wie Joe Biden
| und Emmanuel Macron die Ära der „humanitären Interventionen" für beendet
| erklärt.
`----
Sehr lesenswert



Eine Aufforderung an de Westen, am Krieg teilzunehmen:
https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/jul/17/putin-is-already-at-war-with-europe-there-is-only-one-way-to-stop-him

,----
| Die Vorstellung, dass der Ukraine-Konflikt auf die Ukraine beschränkt
| werden könnte – die politisch bequeme große Täuschung der NATO – und
| dass westliche Sanktionen und Waffenlieferungen die Russen stoppen
| würden, war immer ein Unsinn. Jetzt, wütend über Kiews hartnäckigen
| Widerstand und wild entschlossen, seine Bestrafer zu bestrafen, ist
| Putins Ziel die Verelendung Europas. ...
|
| Schluss mit den halben Sachen und dem Zaudern! Die Nato sollte jetzt
| handeln, um Putins marodierende Truppen innerhalb der anerkannten
| Grenzen Russlands zurückzudrängen.
| Es ist nicht nur die Ukraine, die gerettet werden muss. Es ist auch
| Europa.
`----
Lesensnotwendig.



„Transkript der Pompeo-Rede über die Ukraine und eine globale Allianz
für die Freiheit"
https://www.hudson.org/research/17914-transcript-of-pompeo-speech-on-ukraine-and-a-global-alliance-for-freedom

,----
| "Wir können tun, was Präsident Selenskyj gefordert hat. Wir müssen der
| Ukraine helfen, denn dies zum Teil zu tun, ist unsere erste Pflicht
| gegenüber Amerika und den Amerikanern. Weil wir mit der Unterstützung
| der Ukraine einen größeren europäischen Konflikt verhindern. Ein Krieg,
| der mit ziemlicher Sicherheit Amerikas Militär einbeziehen würde, weil
| wir ein tiefes Bekenntnis zum NATO-Vertrag und zu Artikel Fünf
| haben. Indem wir der Ukraine helfen, verhindern wir Russlands
| Rekonstitution des Sowjetimperiums, worüber ich studiert habe, als ich
| Kadett in West Point war. Dieses Imperium würde, wenn es auch nur in
| geringem Maße wieder aufgebaut würde, die weltweiten Vorräte an fossilen
| Brennstoffen diktieren, was zu massiven wirtschaftlichen Blutungen in
| Amerika und auf der ganzen Welt führen würde, die jeden einzelnen
| Amerikaner betreffen.
`----

Pompeo deutet den Krieg als einen, in dem es um Kontrolle der
Energieströme geht, ein Aspekt, der in der deutschen Diskussion vllt
nicht genügend hervor gehoben wird: Es geht darum, dass die USA die
Energie-Ströme der Welt beherrschen. Dazu muss Russland als
Energie-Lieferant so klein wie möglich gehalten werden. - Es ist also
auch als ein amerikanischer Krieg auch gegen die deutsch-russische
Energie-Kooperation zu verstehen. Deutschland kämpft in diesem Krieg
keineswegs zufällig gegen sich selbst. Es sind dann nicht nur
handwerkliche Fehler, wenn manche Sanktionen Europa mehr schaden als
Russland, sondern dieser Schaden gehört zum Zwecke des Ganzen.




Grundsatzartikel von Bundeskanzler Scholz.
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/reaktion-auf-russlands-krieg-scholz-fordert-geopolitische-eu-18176580.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Nichts Neues.



„Gewissheit über Putins Ziele - Experte: "Wir brauchen den Dialog mit
Russland""
https://www.n-tv.de/politik/Experte-Wir-brauchen-den-Dialog-mit-Russland-article23468499.html
Interview mit Oberst Richter

--
https://friedenslage.blogspot.com/

Freitag, 15. Juli 2022

Friedenslage am 15.07.2022 (20:17:20)

Texte vom und mit dem Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für
Außenpolitik
https://www.michaelroth.eu/wp-content/uploads/sites/421/2022/07/2022-07_Michael_Roth__Eine_neue_Ostpolitik_f__r_die_Zeitenwende.pdf
https://www.n-tv.de/politik/Russland-ist-ein-mueder-kranker-Koloss-article23462952.html
https://www.nachdenkseiten.de/?p=85825
Nach der Lektüre ist man erschlagen. Und überlegt sich, warum.




Aus der Produktion von Erzählungen
https://www.spiegel.de/ausland/irritationen-ueber-deutschland-die-verkehrung-von-opfer-und-taeter-ist-im-vollen-gang-a-7fa85e01-b619-40c2-b6f5-fa502c2fb2dd
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/krieg-in-europa-2022/510254/unter-dem-deutschen-radar/
Nach der Lektüre ist man erschlagen. Und überlegt sich, warum.




„Streitgespräch: Soll der Westen der Ukraine mehr schwere Waffen
liefern?"
https://www.profil.at/streit/streitgespraech-soll-der-westen-der-ukraine-mehr-schwere-waffen-liefern/402075160

,----
| Nein, sagt der Sicherheitsexperte Johannes Varwick. Er hat einen Appell
| unterzeichnet, der eine diplomatische Lösung für den Konflikt
| fordert. Politologe Sergej Sumlenny hält dagegen – und wirft Varwick
| vor, mit seiner Strategie der Deeskalation Putin in die Hände zu
| spielen.
`----



Ein Ex-General der Bw:
https://weltwoche.ch/daily/selenskyj-und-seine-1-million-soldaten-der-ukrainische-praesident-plant-eine-mega-armee-um-die-suedukraine-zurueckzuerobern-ist-das-realistisch/

--
https://friedenslage.blogspot.com/

Montag, 11. Juli 2022

Friedenslage am 11.07.2022 (15:48:15)

Über die Wirkung der Sanktionen
https://www.swp-berlin.org/publikation/wirtschaftssanktionen-gegen-russland-internationale-perspektiven-und-globale-auswirkungen

,----
| Sanktionen gegen Russland hätten dann Zwangscharakter, wenn sie die
| Kriegspolitik des Kremls unmöglich machen würden. Da in der globalen
| Gemeinschaft und innerhalb der EU nur begrenzte Einigkeit darüber
| herrscht, die Sanktionen rigoros durchzusetzen, ist das kaum zu
| erwarten. Weil Sanktionen gegen Russland vorerst keinen Zwangscharakter
| haben, ist von einer begrenzten Abschreckungswirkung auszugehen. Hier
| kommt deutlich zum Tragen, dass nicht nur Russland vom Westen abhängig
| ist, sondern auch die Weltmärkte von Russland. Die sich verschärfende
| Nahrungsmittelknappheit erlaubt es vielen importabhängigen Staaten
| nicht, an der Seite der EU und der G7 zu stehen.
|
| Sanktionen sind aber trotz ihrer begrenzten Anreiz-, Zwangs- und
| Abschreckungsfunktion nicht unsinnig. Sie haben zumindest eine wichtige
| Signalfunktion, indem sie Russland vor Augen führen, dass ein
| Angriffskrieg nicht kostenfrei ist.
`----

Könnt sein, eine Postkarte nach Moskau „Wir verurteilen ..." hätte
gereicht.


„Gastbeitrag von Gabor Steingart - Putin, der Taliban der Neuzeit: Wir
wollen, dass er zittert - und bibbern jetzt selbst"
https://www.focus.de/politik/experten/gastbeitrag-von-gabor-steingart-putin-der-taliban-der-neuzeit-wir-wollen-dass-er-zittert-und-bibbern-jetzt-selbst_id_114349192.html

,----
| Der Westen muss erkennen, dass die Waffe des Sanktionsregimes ihre
| Laufrichtung gedreht hat. Wir wollten Putin bestrafen und bestrafen
| uns. ... Wir wollten ihn verzwergen und haben ihn dadurch erst wieder
| groß gemacht. ... Die unbequeme Wahrheit ist die: Der Westen muss seine
| Strategie verändern, sonst plumpst er in das Loch, das er für Putin
| gegraben hat, selbst hinein.
`----

Das deutsche Wirtschaftsmodell beruht auf der Verarbeitung von Energie
und Rohstoffen, die auf dem Weltmarkt so billig wie möglich erworben
werden, für den Export von HighTech. Für manche Produktionen - etwa
von Glas, Keramik oder Ziegeln - wäre schon eine leichte Verringerung
der Liefermenge tödlich: Man kann einen Brennofen nicht mit 10% weniger
Temperatur befeuern oder ihn mal für ein ein paar Stunden ausschalten.
https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Hohe-Energiepreise-Wie-sparen-Industrie-und-Verbraucher,energie424.html
Man muss also damit rechnen, dass ganze Industriezweige von einem Tag
auf den anderen wegbrechen.

Das gilt aber auch langfristig: Je teurer die Energie, desto
schlechter für den Wirtschaftsstandort. US-Flüssiggas ist sehr viel
teurer als russisches Erdgas, weshalb manche Industrie anders ihre
Kosten verringern muss. Andernfalls wird genau das grundlegende Modell
der deutschen Wirtschaft zerstört: Zu teure Importe, ausfallende
Exporte.

Aber vielleicht ist genau das mit „Zeitenwende" gemeint, im Ausland
denkt schon so mancher an die Institutionalisierung der Verkleinerung
des deutschen Einflusses durch dauerhafte Schädigung der deutschen
Wirtschaft.
https://twitter.com/EHunterChristie/status/1545478805715881986

,----
| The real question is whether Germany should be allowed to determine its
| own external energy policy in future. Maybe we should reinstate some
| kind of Allied Control Commission to keep an eye on Berlin?
`----
Sieht so aus, dass es unter unseren „Verbündeten" Leute gibt, die diesen
Krieg auch gegen Deutschland führen. Liegt irgendwie auf der Hand, wird
in Deutschland aber nicht wahrgenommen.



Aber dafür leiden andere:
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8973

,----
| Staaten in Südasien und weitere Entwicklungs- und Schwellenländer
| geraten in eine ernste Energiekrise, weil Europa ihnen im Machtkampf
| gegen Russland das Flüssiggas wegkauft.
`----




Ein Beitrag von Herfried Münkler gegen den letzten „Offenen Brief" wird
gelobt.
https://twitter.com/Peter_Schaar/status/1546369878260596736
Dabei fehlt dem Text jede konkrete Analyse, Clausewitz, auf den er sich
berufen möchte, hätte sowas nicht geschrieben.




Ich weiß nicht, ob man auf RT noch verlinken darf. Aber vllt darf man
zitieren:

,----
| "Das ist keine Ukraine mehr" – Russische Regierungsbeamte übernehmen
| Ämter im Gebiet Cherson ...
|
| "Heute blicken die Region Cherson und Russland in die gleiche Richtung
| und treffen Entscheidungen über die weitere Entwicklung gemeinsam. Die
| engste Integration der Region Cherson in den russischen Staatsraum und
| in das russische Paradigma der öffentlichen Verwaltung wird
| fortgesetzt", so zitierte Saldo der offizielle Telegram-Kanal der
| militärisch-zivilen Verwaltung von Cherson. ...
|
| Wladimir Saldo sprach in seiner Ansprache auch über die Aufgaben der
| neuen Regierung im Zusammenhang mit der Integration der Region in
| Russland. "Es wird eine grundlegend andere Behörde gebildet – die erste
| Regierung der unabhängigen, nicht ukrainischen Region Cherson. Die
| Tatsache, dass dieser Regierung nicht nur Chersoner, sondern auch
| russische Beamte angehören, sagt sehr deutlich über die Richtung der
| Zukunft der Region Cherson aus. Diese Richtung ist es, Teil Russlands zu
| werden", sagte der Leiter der regionalen Verwaltung.
`----

Sieht so aus, dass da Fakten geschaffen werden
sollen. Russisch-sprachige Teile der Ukraine werden so umgebaut, dass
sie zu Russland werden.

Das wird zukünftige Verhandlungen, wann immer sie stattfinden, extrem
erschweren. Die Staatengemeinschaft, so weit sie in der UNO vereint ist,
wird solche Änderungen völkerrechtlich nicht anerkennen. - Obendrein
stellt sich die Frage, ob es klug ist, denn schon der Austritt der Krim
aus der Ukraine und die Deklaration der „Volksrepubliken" stärkte den
Einfluss des west-ukrainischen Nationalismus in der Ukraine. Eine
neutrale Ukraine, ein Pufferstaat, wird so nicht zu bekommen sein.




Folgen der Waffenlieferungen
https://www.tagesspiegel.de/politik/dutzende-munitionsdepots-in-flammen-us-raketenwerfer-richten-verheerende-schaeden-unter-putins-truppen-an/28491944.html

Aber ob sie erfolgreich sein werden?
https://www.tagesspiegel.de/politik/russland-zieht-reservisten-zusammen-experten-rechnen-mit-verschaerfung-der-angriffe-in-der-ukraine/28494002.html




„INTERVIEW - Lech Walesa: "Wir müssen nicht nur die Ukraine, sondern auch
Russland befreien" "
https://www.tf1info.fr/international/lech-walesa-interview-il-ne-faut-pas-seulement-liberer-l-ukraine-mais-la-russie-guerre-2225702.html

,----
| Lech Walesa, ehemaliger Präsident Polens, ist der außergewöhnliche Gast
| von LCI an diesem Freitag, dem 8. Juli. Der ehemalige Vorsitzende der
| Gewerkschaft Solidarität glaubt, dass die Welt nicht sicher sein wird,
| bis sich das russische System ändert.
|
| Lech Walesa, eine historische Figur im Kampf gegen die UdSSR, fordert
| den Westen auf, über die Befreiung der Ukraine hinauszugehen. Ihm
| zufolge wird die Welt nicht sicher sein, solange das russische System
| dasselbe ist oder wenn es keine Revolte der Völker gegen die russische
| Bevormundung gibt, die sie "auf 50 Millionen Einwohner" reduzieren
| würde. Wenn das nicht so sei, sagt er, "werden wir in 10 Jahren einen
| weiteren Putin auftauchen sehen".
`----

Wenn man sich auf Twitter polnische und litauische Tweets anschaut, kann
man häufig ähnlich Stimmen finden. Beispielsweise soll das zukünftige
Russland nur noch aus einer Ansammlung von Staaten bestehen, die Größe
von Landkreisen haben, mehr nicht.

In diese Richtung wird auch publiziert:
https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2022/05/russia-putin-colonization-ukraine-chechnya/639428/

,----MS Edge Übersetzung
| Sobald die Ukraine Russlands Versuch, sie wieder zu kolonisieren,
| abgewehrt hat, muss der Westen die volle Freiheit der imperialen
| Untertanen Russlands unterstützen.
`----
Bericht von einer Konferenz einer US-Regierungsorganisation
https://multipolarista.com/2022/06/23/us-government-decolonize-russia/



--
https://friedenslage.blogspot.com/

Samstag, 9. Juli 2022

Friedenslage am 09.07.2022 (16:42:12)

Die Zukunft des Krieges. - Die Lage ist wie immer unübersichtlich. Aber
es kristallisiert sich momentan eine Schnittstelle heraus: Ist Russland so
stark, dass es in der nächsten Zeit den Krieg für sich entscheiden kann?
Nachdem die russischen Streitkräfte die Region Luhansk komplett unter
ihre Kontrolle gebracht haben, stellt sich die Frage, ob sie auch weiter
die Oblast Donezk vollständig einnehmen und womöglich weiter nach Westen
vorrücken. Die einen sagen, dass das im Prinzip möglich ist. weil der
Ukraine die materiellen und personellen Reserven fehlen. Diese können
auch durch Lieferungen nicht ausgeglichen werden.

„Oberst Markus Reisner gibt ein Update und schildert, wie sich der Krieg
weiterentwickeln könnte."
https://www.youtube.com/watch?v=55fJOOP4AkQ

Eine Einschätzung eines (ehemaligen?) Mitarbeiters der Führungsakademie
der Bundeswehr Hamburg-Blankenese.
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Befuerchte-Wandel-von-Krieg-in-Guerilla-Kampf-article23448902.html

Auch ein auf welt.de Interview in einer Nachrichtensendung sagt
letztlich nichts anderes.
https://www.youtube.com/watch?v=m4DtwRyAarI

Die Waffenlieferungen aus dem Westen können an ihren Plätzen Wirksamkeit
zeigen, sie können jedoch die grundlegenden Schwächen der Ukraine nicht
ausgleichen. Wenn dem so sein sollte - unsereins kann das letztlich nicht beurteilen,
sondern nur die verschiedenen Stellungnahmen nach Plausibilität
einschätzen -, dann muss der Westen sich entscheiden. Wie es aussieht,
jetzt drei Möglichkeiten:

1. RU bricht bis zum Dnepr durch und bestimmt danach, wie es weiter
geht.
2. Der Westen macht jetzt eine Verhandlungsoffensive, um (für sich) zu
retten, was zu retten ist.
3. Die Nato schickt nicht nur Waffen, sondern tritt mit eigenen Truppen
in den Krieg ein.

Variante 1 ergibt einen dauernden „eingefrorenen" Krieg, der ein paar
Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern kann: Die Ukraine wird auf
koreanische Art geteilt. Russland hat den industriell und
landwirtschaftlich entwickelten Teil, der Westen muss eine
wirtschaftlich schwache Rumpf, die zu keinen eigenen Handlungen mehr
fähig ist, über die Jahre hinweg finanzieren. Die Sanktionen würden
nicht aufgehoben, sondern möglicherweise sogar noch verschärft, Russland
einerseits und EU/Nato-Europa würden sich weiter auseinander
entwickeln.

Variante 2 wird momentan noch nicht mal angedacht, von Italien
abgesehen. Erfahren die europäischen Staaten von ihren „Diensten" nichts
über die möglichen Entwicklungen der Lage? Erfahren sie es zwar, nehmen
sie aber nicht zur Kenntnis? Wollen sie das nicht zur Kenntnis nehmen
oder dürfen sie das nicht? Die USA sind der große „Bestimmer" auf der
Seite des Westens, momentan ist wirklich nichts zu sehen, bei dem die
Europäer oder auch nur die Deutschen einen von den USA möglicherweise
oder auch nur vielleicht abweichenden Standpunkt vertreten, vertreten
können oder auch nur könnten. Auch in den USA haben die Sanktionen
Auswirkungen, bspw auf die Benzinpreise. Aber es scheint so zu sein,
dass das die Politik der US-Regierung noch nicht beeinflusst.

Variante 3 ist die gefährlichste. Wenn es dem Westen nicht gelingt, mit
Waffenlieferungen (samt Ausbildungsprogrammen) eine Wende zugunsten
Kiews herbei zu führen: Was soll der Westen dann machen? Einfach
hinnehmen, dass teures und teuerstes Gerät letztlich nutzlos von den
russischen Streitkräften früher oder später kaputt geschossen wird? Die
riesigen Mrd.-Programme, erst um die Ukraine auf Nato-Kurs zu bringen,
dann um sie im Krieg zu unterstützen, verloren geben? Um sich dann doch
wieder mit diesem Russland abfinden zu müssen? Je länger der Krieg
dauert, desto größer und teurer diese Art von „Investition", je geringer
die Neigung, sie abzuschreiben. - Man wird dann darüber nachdenken, wie
man der Ukraine im Kampf selbst helfen kann.- Die Nato ist Russland
materiell um ein Vielfaches überlegen, allerdings sind ihre Truppen
nicht in der Nähe des Kampfplatzes und die Defender-Übungen haben
gezeigt, dass amerikanische Truppen auch nicht so schnell in die Nähe
des Kampfplatzes transportiert werden können. Die logistischen
Herausforderungen wären immens. - Momentan wird die Ukraine schon mit
Nachrichten unterstützt. Wäre es eine Kriegserklärung an Russland, wenn
man von Polen oder Rumänien aus mit Fernwaffen auf das ukrainische
Schlachtfeld eingreift? Oder wenn doch Flugverbotszonen eingerichtet
werden? - Man darf vermuten, dass da sicher schon Überlegungen von
Militärs gibt, dafür hat man sie ja, aber noch keine entscheidungsreifen
politischen Überlegungen.

Dass manche Kräfte zu politisch-militärischer Zockerei bereit sind,
zeigen diese Meldungen:
https://www.deutschlandfunk.de/cdu-politiker-kieswetter-spricht-von-scheinstaerke-der-russischen-streitkraefte-100.html
https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-samstag-161.html#CDU-Aussenpolitiker-haelt-Putin-Aeusserungen-fuer-leere-Drohungen


 

Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr, die die eigene
Wirtschaft kaputt machen:
https://www.theguardian.com/world/2022/jul/07/canada-russia-turbine-ukrainian-diaspora-trudeau
https://www.reuters.com/world/exclusive-ukraine-urges-canada-not-hand-over-gas-turbine-russia-2022-07-07/

Der Westen ist eben nur der Westen, die Isolierung Russlands ist
gescheitert. Der Westen ist selbst in Putins „Gasfalle" gegangen und nun
gefangen.
https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/perfider-plan-mit-diesen-drei-maschen-will-putin-den-westen-taktisch-aushebeln_id_112682979.html

,----
| Verhandlungen, wie Putin sie versteht, sind ein vergifteter Köder
| Verhandlungen. Moskau lehne Friedensverhandlungen keinesfalls ab. „Aber
| jene, die sich weigern, sollen wissen, dass je weiter sie gehen, desto
| schwieriger ist es für sie, sich mit uns zu einigen", sagte Putin in
| seiner Rede drohend. ... „Pioneer" zitiert jedenfalls seinen
| Interview-Partner, den sächsischen Ministerpräsidenten Michael
| Kretschmer, so: Ohne Gas aus Russland breche die Basis für den deutschen
| Wohlstand weg, darum müsse es jetzt zu Waffenstillstand und
| Verhandlungen mit Putin kommen. Eine Position, die in Ostdeutschland
| populär ist.
|
| Der Bundeskanzler hat gesagt, Deutschland werde seine Position, der
| Ukraine notfalls noch lange zu helfen, auch lange durchhalten
| können. Scholz hat aber auch darauf hingewiesen, dass eine Regierung von
| der Zustimmung in der Bevölkerung abhängig sei.
`----



Stimmt schon:
https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Kraeftemessen-auf-der-Ostsee,marine1296.html
Doch: Was sind die Szenarien, in denen gedacht wird?


--
https://friedenslage.blogspot.com/

Donnerstag, 7. Juli 2022

Friedenslage am 07.07.2022 (21:00:49)

Zur Nato-Tagung in Madrid
https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_196951.htm

Nach einer heftigen Kritik an Russland findet sich im
Abschlusskommuniqué dieser Absatz zur Ukraine:

,----
| Wir begrüßen die Teilnahme von Präsident Selenskyj an diesem
| Gipfeltreffen sehr. Wir stehen in voller Solidarität mit der Regierung
| und dem Volk der Ukraine bei der heldenhaften Verteidigung ihres
| Landes. Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Unterstützung für die
| Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine
| innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen, die sich bis zu ihren
| Hoheitsgewässern erstrecken. Wir unterstützen uneingeschränkt das
| inhärente Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung und auf die Wahl
| ihrer eigenen Sicherheitsvorkehrungen. Wir begrüßen die Bemühungen aller
| Bündnispartner, die sich für die Unterstützung der Ukraine
| einsetzen. Wir werden sie angemessen unterstützen und ihre spezifische
| Situation anerkennen.
`----

Was meinen die Formulierung von der „unerschütterlichen Unterstützung"?
Was sagt es, wenn die Nato „uneingeschränkt unterstützt"? Was heißt es,
jene Staaten, die die Ukraine unterstützen von der Nato „angemessen"
unterstützt werden, wenn deren „spezifische Situation" anerkannt wird?
Irgendwie liest sich das als „Wir unterstützen alle und alles, aber
treibt es nicht zu dolle." Der Text enthält keinen expliziten Vorbehalt,
weder gegenüber der Ukraine noch gegenüber den Partner der Ukraine. Und
trotzdem, es scheint, als wäre da etwas Zurückhaltung im Text.

Später wird das Thema wieder aufgenommen:

,----
| Wir werden die politische und praktische Unterstützung für unseren engen
| Partner Ukraine fortsetzen und weiter verstärken, während er weiterhin
| seine Souveränität und territoriale Integrität gegen die russische
| Aggression verteidigt. Gemeinsam mit der Ukraine haben wir ein
| gestärktes Unterstützungspaket beschlossen. Dies wird die Lieferung
| nichtletaler Verteidigungsgüter beschleunigen, die Cyberabwehr und
| -resilienz der Ukraine verbessern und die Modernisierung ihres
| Verteidigungssektors im Übergang zur Stärkung der langfristigen
| Interoperabilität unterstützen. Längerfristig werden wir der Ukraine
| helfen und die Bemühungen auf ihrem Weg des Wiederaufbaus und der
| Reformen nach dem Krieg unterstützen.
`----

Einfacher gesagt: Wir werden alles mögliche liefern, nur keine richtigen
Waffen. Und wir werden uns darum kümmern, dass die Ukr-Armee weiter
nato-Kompatibel wird.

Aber wieder werden weder ein politisches noch ein
politisch-militärisches Konzept für den jetzigen Krieg deutlich, noch
nicht mal in Andeutungen.

Man könnte es lesen als „Wir wissen nicht, wie der Krieg ausgehen wird,
vermutlich wird die Ukraine verlieren, aber das sagen wir lieber nicht
laut, dafür liefern wir mancherlei Material und nach dem Krieg sehen wir
weiter, wie wir die Ukraine zu einem Teil von uns, der Nato, machen
können, irgendwie wird das schon laufe...

Das verabschiedete „Strategische Konzept" der Nato:
https://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/2022/6/pdf/290622-strategic-concept.pdf
Eine kritische Analyse dieses Konzepts:
https://www.imi-online.de/2022/07/05/bollwerk-des-westens/
Und eine Einschätzung der Nato angesichts ihres chronischen Selbstlobs:
https://www.imi-online.de/2022/07/04/schoengeredetes-kriegsbuendnis-zur-geschichte-der-nato/

Die Ratlosigkeit der Nato bestärkt natürlich jene, die nach einem Ausweg
suchen. Hier ein Text eines der Autoren des jüngsten Briefes, der vom
Westen Verhandlungsinitiative fordert:
https://www.docdroid.net/YaXlmLq/ukraine-krieg-pdf

,----
| Wie viele Menschenopfer lassen sich ethisch verantworten, um die Krim
| zurückzuerobern? Wie viele die Vertreibung russischerTruppen aus
| Luhansk, Donezk und Mariupol? Zu argumentieren, dies habe allein die
| ukrainische Regierung zu entscheiden, überdehnt den auch ethisch
| gebundenen Repräsentationsgedanken und entbindet nicht diejenigen von
| eigenen ethischen Überlegungen, die massiv Waffen liefern. ...
|
| Wer argumentiert, Verhandlungen machten erst Sinn, wenn die Ukraine über
| Rückeroberungen bessere „Verhandlungschips" bekomme, muss klar sagen,
| wie viele Menschen für diese Chips geopfert werden dürfen.
`----

Auf Twitter hat es natürlich Reaktionen auf diesen Text
gegeben. Allerdings keine, die wie Argumentation aussehen,
sondern Dummerhaftigkeiten und Beleidigungen.

Denn genau an dieser Stelle sind die Befürworter einer bedingungslosen
Fortsetzung des Kriegs in der Defensive: Weil sie noch nicht einmal
Kriegssziele angeben können, können sie sie auch nicht in ein Verhältnis
zu den Opfern, den Toten setzen. Sie können nicht sagen, wofür die
Menschen sterben sollen. Das ist der Punkt, vor dem sie sich
drücken. Eben deshalb die so oft ausrastende Reaktion.



--
https://friedenslage.blogspot.com/

Montag, 4. Juli 2022

Friedenslage am 04.07.2022 (15:01:05)

Waffenstillstand jetzt
https://www.zeit.de/2022/27/ukraine-krieg-frieden-waffenstillstand Die
genaue Lektüre lohnt. Denn die Kritiker zeigen meist nur bedingte
Reflexe. Diese Kritikerin vom IFSH
https://www.n-tv.de/politik/Ein-Waffenstillstand-ist-nicht-automatisch-positiv-article23433225.html
scheint den Text gar nicht gelesen zu haben



Noch ein Text zur Genesis der Kriegs
https://prod.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/die-ukraine-ist-die-neueste-katastrophe-amerikanischer-neocons-li.242093




In Polen wird kontrovers darüber diskutiert, mit der Ukraine eine
politische Union zu bilden.
https://klubjagiellonski.pl/2022/07/04/ksiazka-i-wodka-kultura-rosyjska-jako-genetyczne-zrodlo-putinowskiego-panstwa/
https://wpolityce.pl/swiat/601592-kwestia-polsko-ukrainskiego-panstwa-federacyjnego
https://kulturaliberalna.pl/2022/05/31/rzeczpospolita-polska-czy-rzeczpospolita-narodow/
Das schließt an Jahrhunderte alte Vorstellungen an, zwischen Deutschland
und Russland einen eigenen politischen Block zu bilden. Aber noch steht
die ukrainisch-polnische Vergangenheit im zweiten Weltkrieg dagegen.



Die Nato und die anderen westlichen Staatengruppen scheinen nicht
wirklich auf die Beine zu kommen:
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8966

Insbesondere gelingt es nicht, Verbündete zu finden.
https://www.heise.de/tp/features/G7-und-Russland-Bruechige-Einigkeit-7161071.html?seite=all

,----
| Der Gipfel der Industriestaaten sollte Indien, Indonesien, Südafrika,
| Senegal und Argentinien in die Allianz gegen Russland einbinden. Dieses
| Ansinnen ist grandios gescheitert. Die dunklen Wolken über Elmau hatten
| Symbolkraft.
`----

Die anstehende Nato-Erweiterung schwächt ihren inneren Zusammenhalt und
ihre Legitimation
https://www.eurotopics.net/de/284115/nato-beitritte-tuerkei-fordert-33-auslieferungen




Ein wichtiges Positionspapier aus der Friedensbewegung
https://www.nachdenkseiten.de/?p=85409
https://friedensratschlag.de/2022/06/baf-positionspapier-ukrainekrieg/
https://frieden-und-zukunft.de/userfiles/pdf/2022/2022-06_baf-positionspapier-ukrainekrieg.pdf
Es macht insbesondere auf diesen Text aufmerksam:
https://www.state.gov/u-s-ukraine-charter-on-strategic-partnership/
Man kann ihn als Verabredung zum Krieg gegen Russland lesen.
insbesondere Absatz II.1.


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https://friedenslage.blogspot.com/