Freitag, 26. Juli 2024

Friedenslage am 26.07.2024 (17:24:04)

Bei Ralf Stegner ist ein Text von Wolfgang Richter über die neuen Raketen zu
bekommen:
https://x.com/Ralf_Stegner/status/1816151027818578195
https://t.co/bliANKF5Hf
https://www.dropbox.com/scl/fi/b83umhyb4rovcp7d5dizh/Stationierung-LRS-in-Deutschland-WR-22.07.24-rev..pdf?rlkey=dy27cl2ek20eu2wjux459niy1&e=1&dl=0

Aus dem Inhalt:

,----
| (2) Mit der Stationierung von landgestützten U.S. LRF-Systemen werden ab 2026 zum ersten
| Mal seit 1988 wieder strategische Ziele in der Tiefe Russlands von Deutschland aus mit Lang-
| streckenwaffen von hoher Präzision unter Bedrohung gehalten. Dies schließt Moskau ebenso
| ein wie Basen der strategischen Nuklearstreitkräfte, die kritische Infrastruktur oder das russi-
| sche Industrie- und Rüstungspotential. Startvorbereitungen für strategische LRF-Systeme
| können verdeckt und kurzfristig in Auflockerungsräumen nahe den Friedensstandorten erfol-
| gen, ohne dass größere operative Bewegungen wie vor dem Einsatz zur See oder in der Luft
| erkennbar wären. Landgestützte Tomahawk-Marschflugkörper, die im Unterschallbereich
| fliegen, wären wegen ihrer bodennahen Flugbahnen erst spät von Radaren zu erkennen. Ins-
| besondere der Einsatz von hypersonischen Dark Eagle-Raketen würde wenig Zeit für die La-
| gefeststellung und Entscheidungsfindung in Moskau lassen. Ein instabiler steter Alarmzu-
| stand dürfte dort die Folge sein. Er kann zu Fehlperzeptionen und Kurzschlussreaktionen füh-
| ren.
| (3) Moskau wird die neue Bedrohung aus Deutschland nicht als defensive Abschreckung auf-
| fassen, sondern als (weitere) Unterminierung des strategischen Gleichgewichts. Es könnte
| die Stationierung auch als Option sehen, um ein etwaiges Eingreifen der NATO in der Ukra-
| ine abzusichern. Zwar war Deutschland wegen seiner Funktion als strategische Drehscheibe
| der NATO in Europa schon in der Vergangenheit gefährdet; aber mit der direkten Bedrohung
| strategischer Ziele in Russland von deutschem Boden aus wird nun in einem Konfliktfall
| Deutschland und nicht die USA zu einem zentralen und vorrangigen Ziel für russische Rake-
| tenangriffe. Dies hat Putin's Regierungssprecher Dmitry Peskov am 11. Juli 2024 bereits an-
| gekündigt.20 Russische Experten gehen davon aus, dass Russland die Raketenproduktion stei-
| gern und dual use-fähige Langstreckensysteme an der über 2.000 km langen Grenze zur
| NATO stationieren wird.21 Damit erhöht sich das atomare Risiko für Deutschland.
`----


Hier gibt es bei Arno Gottschalk eine Wiedergabe von Resumé und Stellungnahme:
https://x.com/arnogottschalk/status/1816558453873115295

Dieser Text von Oberst a.D Wolfgang Richter wird in den Auseinandersetzungen von
grundlegender Bedeutung sein.



„Die Stationierung von US-Raketen verschärft die nukleare Bedrohung -- von
Juliane Hauschul und Xanthe Hall"
https://www.jacobin.de/artikel/mittelstreckeraketen-atomwaffen-usa-deutschland-nato-gipfel-inf-vertrag

,----
| Xanthe Hall ist Geschäftsstellenleiterin der deutschen Sektion der
| Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in
| sozialer Verantwortung e.V.
|
| Juliane Hauschulz ist Referentin für Atomwaffen bei der deutschen Sektion der
| Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in
| sozialer Verantwortung e.V. und Mitglied im Vorstand von ICAN Deutschland.
`----

,----
| Zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges sollen in Deutschland wieder
| US-Raketen stationiert werden, die Russland treffen könnten. Dieser Tabubruch
| hat einen gefährlichen neuen Rüstungswettlauf eingeläutet, der keine Sicherheit,
| sondern kommende Katastrophen vorbereitet. ...
|
| Verteidigungsminister Pistorius erklärte die Stationierung in Deutschland zu
| einer bloßen Abschreckungsmaßnahme. Russland habe in der Vergangenheit ähnliche
| Waffensysteme stationiert, etwa in Kaliningrad. Nun gehe es lediglich darum,
| »diese Lücke zu schließen«. Tatsächlich aber liegen handfeste politische Gründe
| vor, wieso die Entscheidung gerade jetzt bekannt gegeben wurde: Deutschland
| möchte seine Rolle innerhalb der NATO stärken und gegenüber der Weltgemeinschaft
| Handlungsbereitschaft und Willensstärke demonstrieren.
`----




„Ukrainekrieg und historische Friedensbewegung - 14. Januar 2024 -Helmut Donat"
https://overton-magazin.de/top-story/ukrainekrieg-und-historische-friedensbewegung/

,----
| Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges macht es Sinn, sich die
| historisch-politischen Einsichten der deutschen Friedensbewegung aus dem
| Zeitraum von 1914 bis 1933 vor Augen zu führen – vor allem aus zwei Gründen:
|
| 1 Der organisierte Pazifismus in Deutschland war der profundeste Gegner des
| militaristisch-nationalistischen Komplexes, deren Vertreter die Geschicke des
| Volkes bestimmt haben.
|
| 2 Die Analysen, Prognosen und Warnungen von führenden Pazifisten sind dem
| Diskurs über Krieg und Frieden in Vergangenheit und Gegenwart weitgehend
| entzogen und unbekannt. ...
|
| Ludwig Quidde, Friedensnobelpreisträger (1927) aus Bremen, stellte bereits 1898
| als Besonderheit des preußisch-deutschen Militarismus fest – im Unterschied zum
| britischen oder französischen –, dass mit ihm eine Dominanz des militärischen
| über das zivile Denken verbunden war, also die Vorrangstellung von Macht und
| Gewalt vor dem Rechts- und Friedensgedanken.1 Damit einher ging eine
| Geringschätzung von Moral und Ethik einher. Der Krieg als „Vater aller Dinge"
| galt als Kulturerrungenschaft. Pazifisten wurden diffamiert, lächerlich und –
| wie Friedrich Wilhelm Foerster in den 1920er Jahren – als „übelstes Stinkgewächs
| am Giftbaum des deutschen Pazifismus" verächtlich gemacht.2 ...

| Seit dem 24. Februar 2022 tun die alten wie neuen militärfrommen Kreise alles,
| um ihre Deutung der Geschichte voranzutreiben und dem Denken in Gewaltkategorien
| erneut eine überragende Stellung zu geben. Es geht dabei um nichts weniger als
| die Frage, welche Rolle die Gewalt, die Bundeswehr und Deutschland künftig in
| Europa und der Welt einnehmen werden. Die Haltung der Bundesregierungen und der
| übergroßen Mehrheit der Bundestagsabgeordneten aus CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis
| 90/Die Grünen seit der Wiedervereinigung erinnert an jenes Machtstaatsdenken,
| das der preußische Kriegsminister Albrecht von Roon im Februar 1862 mit seinem
| Ausspruch, wo es „Händel" gebe, da müsse Preußen als „Parvenu unter den
| Großmächten" dabei sein.
`----

Der Artikel zeigt alte Ähnlichkeiten auf. Es stimmt eben nicht, dass Deutschland
mit der Bundeswehr zwar Militär habe, aber keinen Militarismus mehr, Deutschland
habe aus seiner Geschichte gelernt. Aber in Deutschland gibt es nach wie vor,
oder auch nur wiedererwacht, wiederbelebt, einen Militarismus des Denkens, des
Geistes. Man findet diesen neu-alten Militarismus nicht nur in den politischen
Spitzen oder in der Bundeswehr. (Besonders argumentreiche Kritiker dieses
Militarismus kommen vielmehr gerade aus der Bundeswehr.) Man findet ihn vielmehr
massenhaft im politischen Alltag. Man sehe sich dazu nur einmal an, wie auf
Twitter/X auf den Text von Wolfgang Richter reagiert wird. „Putin-Propaganda"
ist schon einer der harmloseren Kommentare.

Als 2022, nach dem Abbruch der Istanbuler Verhandlungen, eine breite
Öffentlichkeit Verhandlungsangebote des Westens verlangte, wurde stattdessen
propagiert, erst einmal müsse die ukrainische Armee in den Stand gesetzt werden,
Russland zu schlagen. Nur so könne sie eine bessere Verhandlungsposition
bekommen, die es ihr ermögliche, einen Frieden nach ihren Zielen
durchzusetzen. Es war bekannt, dass der ukrainischen Armee für eine erfolgreiche
Offensive die Kampfkraft in der Luft fehlte. Jeder wusste das. Das war die
Stunde, in der ethische Reflexionen angesagt waren. Dazu Jürgen Habermas:

https://taz.de/Juergen-Habermas-zum-Ukraine-Krieg/!vn6025235/

,----
| Jürgen Habermas: Was mich damals gewundert hat, als ich zwei Monate nach
| Kriegsbeginn den erwähnten Artikel schrieb,1 und was ich auch bis heute nicht
| verstehe, richtet sich keineswegs gegen die politisch gebotene Parteinahme des
| Westens für den Kampf der Ukraine gegen einen mörderischen Aggressor. ...
|
| Unter Führung der USA hält der Westen den Krieg gewissermaßen am Laufen – ohne
| erkennbare Versuche, ihn einzudämmen. ...
|
| Beunruhigend finde ich aber von Anbeginn die Perspektivlosigkeit; sie versichern
| der Ukraine bis zu dieser Schwelle unermüdlich ihren unbegrenzten militärischen
| Beistand, ohne ihre politischen Ziele zu erklären. Offiziell überlassen sie
| alles Weitere der ukrainischen Regierung und dem Waffenglück ihrer
| Soldaten. ... Deshalb habe ich vor Beginn
| der Münchner Sicherheitskonferenz in einem weiteren SZ-Artikel daran erinnert,2
| dass der Westen mit seinem militärischen Beistand, von dem ja die Fortsetzung
| des Krieges abhängt, eine moralische Mitverantwortung übernommen hat. Ganz
| unabhängig vom Widerstandswillen der Ukrainer trägt er mit seiner logistischen
| Hilfe und seinen Waffensystemen eine Mitverantwortung für die täglichen Opfer
| des Krieges – für jeden weiteren Toten, jeden weiteren Verwundeten und jede
| weitere Zerstörung von Krankenhäusern und lebenswichtigen Infrastrukturen. Daher
| wäre es auch kein Verrat an der Ukraine, sondern eine normativ gebotene
| Selbstverständlichkeit, wenn die USA und Europa hartnäckig alle Chancen für
| einen Waffenstillstand und einen für beide Seiten gesichtswahrenden Kompromiss
| ausloten würden.
`----

Aber diese Forderung nach öffentlicher Ethik wurde nicht aufgenommen. Es hätte
die Stunde der Kirchen sein können. Der Papst hatte es verstanden, die deutschen
Amtskirchen jedoch nicht, sie sind über die Militärseelsorge doch zu eng mit dem
militärisch-industriellen Komplex verbunden. Auch die Wissenschaft blieb
weitgehend stumm. Es herrschte und herrscht vielmehr eine Art von „Realismus",
der doch nur ein Wünsch-Dir-Was der Gewalt ist.

In einige Jahren wird gejammert werden, ach, hätten wir doch ...

Es fehlt momentan an ethischen Reflexionen:

„Vorwort zu ‚Erasmus von Rotterdam: Die Klage des Friedens' EUGEN DREWERMAN"
https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/media/pdf/Lebenshaus_Online_ERASMUS.pdf
https://overton-magazin.de/top-story/ueber-die-klage-des-friedens-1517-des-erasmus-von-rotterdam/

,----
| Was des Erasmus „Klage des Friedens" wohl am meisten faszinierend, aber auch am
| meisten deprimierend macht, ist ihre scheinbar unverändert andauernde
| Aktualität. „Frieden braucht Verteidigung" liest man derzeit (im Mai 24) auf den
| Werbeplakaten der Spitzenkandidatin der FDP für das EU-Parlament; vordem musste
| man sich kriegsertüchtigen, um die Freiheit zu verteidigen; jetzt, seit Beginn
| des „russischen Aggressionskriegs" am 24. Februar 22 in der Ukraine, gilt in
| politischer Korrektheit als ein Kriegsbefürworter, wer noch, wie zum Beispiel
| Papst Franziskus, einen Verhandlungsfrieden fordert, statt einer ständigen
| Ausweitung und Verlängerung der Kampfhandlungen. Ein Gegner wie der russische
| „Diktator" versteht nach Meinung des derzeitigen Außenministeriums der BRD
| allein die Sprache der Gewalt, und erst wenn er besiegt ist, darf man mit ihm
| reden.
|
| Also: der einzige Weg zum Frieden ist ein gewonnener Krieg, und um ihn zu
| gewinnen, muss man so viele Menschen töten und soviel an Material zerstören wie
| nur möglich, bis dass der Gegner in Ermangelung an Mannschaft und an Nachschub
| zur Aufgabe gezwungen ist. Die Hunderttausende von Toten, die diesen Pfad zum
| Siegfrieden in ein Meer von Blut verwandeln, haben weder Skrupel noch Bedenken
| zu erregen, denn die Schuld daran trägt ausschließlich, wie stets, der Gegner,
| man selbst – versteht sich – tritt allein für Recht und Ordnung ein; man
| bekämpft das Böse als Verteidiger des Guten, denn wohlgemerkt: man schützt
| heroisch und entschlossen den Wert der Menschlichkeit gegen die Inhumanität von
| Willkür und Gewalt.
`----



„The Right Way to Quickly End the War in Ukraine - Instead of Abandoning Kyiv,
Washington Should Give It the Tools to Win"
https://www.foreignaffairs.com/ukraine/right-way-quickly-end-war-ukraine
Eigentlich ist die Zeitschrift ForeignAffairs zu „hoch" angesiedelt, um
irgendwelchen Quatsch zu veröffentlichen.

Der Autor scheint nicht unbedeutend zu sein:
,----
| JAKUB GRYGIEL is Professor of Politics at Catholic University of America, a
| Senior Adviser at the Marathon Initiative, and a Visiting Fellow at the Hoover
| Institution. He was a senior adviser in the Office of Policy Planning at the
| U.S. Department of State from 2017 to 2018.
`----

Er kritisiert die Biden-Regierung, sie habe den Krieg einfach ins Unendliche
verlängert, ohne eine Entscheidung herbeiführen zu wollen. Bald aber sei die
Kraft der Ukraine erschöpft: Die Leute werden fehlen. Deshalb müsse jetzt die
ukrainische Armee bis zum Geht-nicht-mehr aufgerüstet werden, mit allem, was
möglich ist, und vor allem auch mit dem modernsten Material, um die russische
Armee vollständig vom ukrainischen Gebiet zu vertreiben. - Dass dazu die Leute
fehlen könnten und die Ausbildung Zeit braucht, kommt ihm nicht in den Sinn. Vor
allem auch nicht, dass die russische Armee diese Vorbereitung merken könnte und
sich ebenfalls weiter aufrüstet.

Sinn und Zweck dieses Artikels könnte sein: Trump will den Krieg schnell
beenden, in 24 Stunden, wie er sagt. Mit einem „Deal". Und mit diesem Artikel
soll vielleicht Russland mitgeteilt werden, was passiert, wenn es bei diesem
Deal nicht so mitmacht, wie es gewünscht wird.



--
https://friedenslage.blogspot.com/