Donnerstag, 21. September 2023

Friedenslage am 21.09.2023 (13:44:37)

„Rede von Wolodymyr Selenskyj bei der UN-Generalversammlung am 19.09.23"
https://www.youtube.com/watch?v=h_pqsGlhBP0&t=22s
Bei Minute fünf wirft er „Freunden" vor, Russland in der
Getreide-Export-Sache zu helfen. Gemeint ist in erster Linie Polen, das
gegen EU-Beschlüsse den Import ukrainischen Getreides auf Verlangen
seiner eigenen Bauern verboten hat.

Ein schwer zu verstehender Vorgang. Hat Selenskij gehofft, mit einen
öffentlichen, weltweit übertragenen Tadel Polen disziplinieren zu
können? Entweder ist das eine zufällige grundlegende Fehleinschätzung,
wie es sowas halt gibt, oder es ist eine Handlung aus Verzweiflung, die
eigene Katastrophe vor Augen.

Polen hat zwar prompt reagiert, indem es den polnischen Botschafter ins
Außenministerium einbestellte, die öffentlichen Erklärungen sind dagegen
auch nicht leicht zu verstehen. Man muss da rätseln. Ihr Kern ist: „Wir
liefern keinen Waffen an die Ukraine mehr, wir kümmern uns jetzt um
unsere eigene Armee." Polen hatte aus eigenen Beständen geliefert, nun
will es diese Bestände modern auffüllen und gleichzeitig die Armee
vergrößern.

Heißt das, dass Polen nicht mehr darauf setzt, dass die Ukraine die
russische Armee fern der polnischen Grenzen hält? Oder dass die
polnische Armee dann, wenn es in der Ukraine gefährlich werden könnte,
stark genug sein muss, um selbst eingreifen zu können?

Dazu Texte:
https://www.bbc.com/news/world-europe-66873495
https://www-bbc-com.translate.goog/news/world-europe-66873495?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de
https://www.berliner-zeitung.de/news/ministerpraesident-mateusz-morawiecki-polen-liefert-keine-waffen-mehr-an-die-ukraine-li.418893
https://www.theguardian.com/world/2023/sep/21/poland-stop-ukraine-weapons-supply-grain-exports-dispute
https://news.antiwar.com/2023/09/20/poland-says-its-no-longer-arming-ukraine-amid-grain-spat/
So viel schlauer machen den Leser diese Texte nicht.

Was Polen der Ukraine bislang geliefert hat:
https://twitter.com/jgotkowska/status/1704766731376369937/photo/1


Vielleicht zeigt sich bei diesem Konflikt zwischen Polen und der Ukraine
ein alter Konflikt. Grob gesagt: Polen hat (zusammen mit Litauen) im
späten Mittelalter das (heute ukrainische) Gebiet bis zum Dnepr
beherrscht, das katholische Polen stellte die Großgrundbesitzer, die
orthodoxen Ukrainer waren arme Bauern oder Knechte. Der ukrainische
Nationalismus war deshalb auch immer antipolnisch. Aber es gab auch
zeitweilige Bündnisse gegen Russland:
https://de.wikipedia.org/wiki/Symon_Petljura Wenn beide Staaten sich
gegen Russland gegenseitig unterstützen, dann geht es auch immer darum,
den jeweils anderen Staat gegen Russland auszunutzen.Interessen und
taktische Kalküle können diese politischen Kräfte verbinden, es sind
aber auch schnelle Wendungen möglich. Wer weiß, eines Tages können alte
Gebietsstreitigkeiten wieder virulent werden. Es ist ein Gebiet
gewaltiger ethnischer Verschiebungen, es gibt viel gegenseitig
aufzurechnen. Nicht auszuschließen, dass diese Partner sich verraten
werden, wenn der Krieg ungünstig verläuft.

https://de.wikipedia.org/wiki/Lwiw

Bevölkerungszusammensetzung in Lwiw in Prozent

Volksgruppe 1900 1931 1959 2001
Ukrainer 19,9 15,9 60,0 88,1
Russen 0 0,2 27,0 8,9
Juden 26,5 31,9 6,0 0,3
Polen 49,4 50,4 4,0 0,9




Nur mal das jüngste Kapitel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_in_Wolhynien_und_Ostgalizien
https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article117455158/Maenner-und-Frauen-grausam-mit-Aexten-zerhackt.html
https://www.deutschlandfunk.de/polen-und-ukraine-dunkle-geschichte-eines-blutigen-sonntags-100.html
https://www.spiegel.de/ausland/selenskyj-und-duda-erinnern-an-wolhynien-massaker-im-zweiten-weltkrieg-a-cf73c08f-2248-4c4d-8f87-cb7bcbf9420f

Solche Katastrophen lassen sich auf der Grundlage der „Charta von Paris"
geschichtspolitisch bearbeiten:

,----
| Wir sind entschlossen, den wertvollen Beitrag nationaler Minderheiten
| zum Leben unserer Gesellschaften zu fördern, und verpflichten uns, deren
| Lage weiter zu verbessern. Wir bekräftigen unsere tiefe Überzeugung, daß
| freundschaftliche Beziehungen zwischen unseren Völkern sowie Friede,
| Gerechtigkeit, Stabilität und Demokratie den Schutz der ethnischen,
| kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität nationaler
| Minderheiten und die Schaffung von Bedingungen für die Förderung dieser
| Identität erfordern. Wir erklären, daß Fragen in bezug auf nationale
| Minderheiten nur unter demokratischen Bedingungen befriedigend gelöst
| werden können. Ferner erkennen wir an, daß die Rechte von Angehörigen
| nationaler Minderheiten als Teil der allgemein anerkannten
| Menschenrechte uneingeschränkt geachtet werden müssen.
`----

Aber man hat einen anderen Weg gewählt.


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