Nur ein paar Bemerkungen:
https://www.erhard-eppler-kreis.de/manifest/
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| MANIFEST Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit,
| Rüstungskontrolle und Verständigung
|
| 80 Jahre nach Ende der Jahrhundertkatastrophe des Zweiten Weltkriegs und der
| Befreiung vom Hitler-Faschismus ist der Frieden auch in Europa wieder
| bedroht. Wir erleben neue Formen von Gewalt und Verletzung der Humanität: Der
Ein ungeschickter Satz, der für viele eine Hürde ist: Der Frieden ist in Europa
nicht mehr „bedroht", es herrscht Krieg in Europa, allerdings hat er noch nicht
ganz Europa erfasst.
| russische Krieg gegen die Ukraine, aber auch die fundamentale Verletzung der
| Menschenrechte im Gaza-Streifen. Die soziale Spaltung der Welt wird tiefer, in
Was macht der Gaza-Krieg hier? Entweder schreibt man über Europa oder über die
ganze Welt, beides kann man machen, aber da muss man sich entscheiden.
| den Gesellschaften und zwischen den Gesellschaften. Die vom Menschen gemachte
| Krise des Erd- und Klimasystems, die Zerstörung der Ernährungsgrundlagen und
| neue Formen von Kolonialismus um Rohstoffe bedrohen den Frieden und die
Hier geht es um die ganze Welt. Ist ja nicht falsch, aber dann müsste der erste
Satz anders geschrieben sein.
| Sicherheit der Menschen. Nicht zuletzt versuchen Nationalisten Unsicherheiten,
| Konflikte und Kriege für ihre schäbigen Interessen zu nutzen.
Wer ist damit gemeint? Die ukrainischen Nationalisten? Russische? Orban? „Make
America Great Again"?
| Von einer Rückkehr zu einer stabilen Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa
| sind wir weit entfernt. Im Gegenteil: In Deutschland und in den meisten
| europäischen Staaten haben sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft vor allem
| in einer militärischen Konfrontationsstrategie und hunderten von Milliarden Euro
| für Aufrüstung suchen.
Wer hat sich in Deutschland durchgesetzt? Es fehlen die Namen aus der Politik,
aus der Wirtschaft, der Gesellschaft, den Medien. Das kann Gründe haben: Zum
einen will man keinen Pranger, keine Konfrontation mit Leuten, mit denen man
doch irgendwie zusammenarbeiten muss, zum anderen fehlt bislang jede Klarheit
übe die Motive jener „Kräfte". Es ist für diese Strategie kein Vorteil zu
erkennen, kein eingebildeter und schon gar kein faktischer, von ein paar
Beförderungsposten in der Bundeswehr abgesehen. Dieses Krieg schadet
Deutschland: Die billige Energie fehlt, die Ausgaben für wirtschaftlich
unproduktive Rüstung steigt, für viele notwendige Ausgaben fehlt das Geld, Teile
des Landes verrotten regelrecht. Eine politische Krise droht durch den Aufstieg
des Rechtsextremismus.
Warum machen diese „Kräfte" das alles? Die Rüstungsindustrie verdient besser,
aber kann sie die Politik bestimmen? Oder ist es eine tiefgreifende Mentalität,
die im Osten den Feind sieht, vom Kaiser über das Nazi-Reich, über Adenauer bis
jetzt, nur mal für ein Jahrzehnt kurz verschwunden nach 1990? Tobt sich hier
eine Mentalität aus, die sich nicht über sich selbst aufklären kann?
Ich weiß es nicht. Wer weiß es?
Seit 2014, verstärkt seit 2021 gilt diese Rede:
| Frieden und Sicherheit sei nicht mehr mit Russland zu
| erreichen, sondern müsse gegen Russland erzwungen werden.
Dieser Druck ist gegenüber Putins Russland nicht ein einziges Mal erfolgreich
gewesen. Trotzdem wird jede weitere Sanktion, jede weitere Lieferung, jeder
weitere eigene Aufrüstung mit ihm begründet. Ein Musterbeispiel für
pathologisches Verhalten: Immer dasselbe tun, und wenn es keinen Erfolg hat,
noch einmal und noch einmal, denn irgendwann muss es gelingen.
| Der Zwang zu immer
| mehr Rüstung und zur Vorbereitung auf einen angeblich drohenden Krieg wird
| beschworen,
Dieser zukünftige Krieg wurde genau in dem Moment erfunden, in dem das Scheitern
der ukrainischen Gegenoffensive offenkundig war. Der Wunsch, den Krieg mit einem
Sieg über Russland beenden zu können, war gescheitert. Russlands Armee zeigte
sich in dem Moment stärker als erwartet. Der Westen hatte die Verhandlungen von
Istanbul 2022 mit dem Versprechen an die ukrainische Führung zum Scheitern
gebracht, er würde die ukrainische Armee für den Sieg ausstatten. Diese Politik
ist im Sommer 2023 gescheitert. Es gab einen kurzen Moment, in dem an
verschiedenen Stellen über eine Verständigung mit Russland nachgedacht
wurde. Aber das musste unterbunden werden. Die russische Armee, die gerade so
eben die Angriffe der ukrainischen Armee im Donbass überstanden hatte, wurde zu
einer Macht, die ganz Europa erobern kann und nach dem Willen ihrer Führung
irgendwann auch will. Damit konnte der Einsatz des Westens eine Stufe
hochgedreht werden: Verstärkung der Lieferungen und eigene Hochrüstung, eben
keine Suche nach politischen Auswegen.
Ein Manifest ist nun allerdings nicht das Format für längere Erläuterungen.
| statt notwendige Verteidigungsfähigkeit mit einer Rüstungskontroll-
| und Abrüstungspolitik zu verknüpfen, um gemeinsame Sicherheit und gegenseitige
| Friedensfähigkeit zu erreichen.
Hier greift das Manifest auf das alte Nato-Konzept des „Harmel-Berichts" zurück:
https://de.wikipedia.org/wiki/Harmel-Bericht
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| Die NATO sollte als ein Faktor des dauerhaften Friedens gestärkt werden. Sie
| sollte:
|
| - Einerseits durch ausreichende militärische Stärke abschreckend wirken, um die
| militärische Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten eindeutig und zweifelsfrei zu
| gewährleisten
|
| - Andererseits sollten unter dem Vorzeichen gesicherten militärischen
| Gleichgewichts dauerhafte Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Pakts
| hergestellt werden, um grundlegende politische Fragen lösen zu können.
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Es ist kein Gedanke, den man als pazifistische Träumerei abtun könnte, es ist
ein altes, über jahrzehnte gültiges Nato-Konzept. Damit will das Papier
anschlussfähig an Konsense im Westen bleiben, hätte es die
„Verteidigungsfähigkeit", also den Unterhalt und die Entwicklung der Bundeswehr
weggelassen, wäre es in der Öffentlichkeit noch angreifbarer geworden und könnte
auch nie die Unterstützung von politischen Kräften erwarten, die ein positives
Verhältnis zu Bundeswehr haben, aber den gegenwärtigen abenteuerlichen Weg
nicht mitgehen wollen.
Pazifisten und bundeswehrkritische Anhänger der Friedensbewegung mag das
enttäuschen, real geht es aber wohl kaum anders.
| Wir sind davon überzeugt, dass das Konzept der
| gemeinsamen Sicherheit der einzige verantwortungsbewusste Weg ist, über alle
| ideologischen Unterschiede und Interessen-Gegensätze hinweg Krieg durch
| Konfrontation und Hochrüstung zu verhindern. Das Konzept der gemeinsamen
| Sicherheit lag auch dem zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem
| Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow 1987 vertraglich vereinbarten
| Verbot aller atomarer Mittelstreckenwaffen zugrunde, das wesentlich zum Ende des
| Kalten Kriegs in Europa und zur deutschen Einheit beigetragen hat.
|
| Seit den 1960er Jahren wurde die Welt mehr als einmal an den nuklearen Abgrund
| geführt. Der „Kalte Krieg" war geprägt von gegenseitigem Misstrauen und
| militärischer Konfrontation der Führungsmächte in Ost und West. Der Präsident
| der USA John F. Kennedy, Willy Brandt und andere führende Politiker der
| damaligen Zeit haben die richtigen Konsequenzen aus der in der Kuba-Krise
| offensichtlich gewordenen gefährlichen Perspektivlosigkeit dieser
| Rüstungsspirale gezogen. An die Stelle von Konfrontation und Hochrüstung traten
| Gespräche und Verhandlungen über Sicherheit durch Kooperation,
| Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und Abrüstung.
|
| Die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 war ein Höhepunkt
| dieses Zusammendenkens von Verteidigungs- und Abrüstungspolitik, das in Europa
| jahrzehntelang Frieden gesichert hat und schließlich auch die deutsche Einheit
| ermöglichte.
|
| In Helsinki wurden zentrale Prinzipien der europäischen Sicherheit durch einen
| friedlicheren Umgang der Staaten miteinander vereinbart: Die Gleichheit der
| Staaten unabhängig von ihrer Größe, die Wahrung der territorialen Integrität der
| Staaten, der Verzicht auf gegenseitige Gewaltandrohungen, die Achtung der
| Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Verzicht auf die Einmischung in die
| inneren Angelegenheiten der Staaten wie auch die Vereinbarung umfassender
| Zusammenarbeit.
Alles richtig, aber hier fehlt was: Die Charta von Paris vom November
1990.
https://www.bundestag.de/resource/blob/189558/21543d1184c1f627412a3426e86a97cd/charta-data.pdf
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| In Übereinstimmung mit unseren Verpflichtungen gemäß der Charta der Vereinten
| Nationen und der Schlußakte von Helsinki erneuern wir unser feierliches
| Versprechen, uns jeder gegen die territoriale Integrität oder politische
| Unabhängigkeit eines Staates gerichteten Androhung oder Anwendung von Gewalt
| oder jeder sonstigen mit den Grundsätzen oder Zielen dieser Dokumente
| unvereinbaren Handlung zu enthalten. Wir erinnern daran, daß die Nichterfüllung
| der in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Verpflichtungen einen
| Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt.
|
| Wir bekräftigen unser Bekenntnis zur friedlichen Beilegung von Streitfällen. Wir
| beschließen, Mechanismen zur Verhütung und Lösung von Konflikten zwischen den
| Teilnehmerstaaten zu entwickeln.
|
| Nun, da die Teilung Europas zu Ende geht, werden wir unter uneingeschränkter
| gegenseitiger Achtung der Entscheidungsfreiheit eine neue Qualität in unseren
| Sicherheitsbeziehungen anstreben. Sicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit
| jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden. Wir
| verpflichten uns daher, bei der Festigung von Vertrauen und Sicherheit
| untereinander sowie bei der Förderung der Rüstungskontrolle und Abrüstung
| zusammenzuarbeiten.
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Zwei Prinzipien der Sicherheitspolitik werden hier widersprüchlich miteinander
verbunden: Jeder Staat kann machen, was er will. Und: Jeder Staat muss auf jeden
anderen maximal Rücksicht nehmen. Jeder Staat kein einem Bündnis seiner Wahl
beitreten, er muss dabei aber auf seine Nachbarn maximal Rücksicht
nehmen. Solche Prinzipienkombination muss jeden Tag neu ausgehandelt werden. Was
auf jeden Fall nicht geht, ist, die Durchsetzung eigener Ziele auf Kosten
anderer. Das beeinhaltet den Zwang, Konflikte in Verhandlungen mit Nachbarn zu
lösen, ihnen dürfen eigene Entscheidung nicht „friss oder stirb" ultimativ
vorgesetzt werden. Aber genau das ist nach 2013 in Sachen Ukraine und der Nato
geschehen.
Und es fehlt ein weiterer Aspekt der Charta von Paris: Die Minderheitenpolitik.
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| Wir sind entschlossen, den wertvollen Beitrag nationaler Minderheiten zum Leben
| unserer Gesellschaften zu fördern, und verpflichten uns, deren Lage weiter zu
| verbessern. Wir bekräftigen unsere tiefe Überzeugung, daß freundschaftliche
| Beziehungen zwischen unseren Völkern sowie Friede, Gerechtigkeit, Stabilität und
| Demokratie den Schutz der ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen
| Identität nationaler Minderheiten und die Schaffung von Bedingungen für die
| Förderung dieser Identität erfordern. Wir erklären, daß Fragen in bezug auf
| nationale Minderheiten nur unter demokratischen Bedingungen befriedigend gelöst
| werden können. Ferner erkennen wir an, daß die Rechte von Angehörigen nationaler
| Minderheiten als Teil der allgemein anerkannten Menschenrechte uneingeschränkt
| geachtet werden müssen.
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Die osteuropäischen Staaten haben oft starke ethnische und / oder religiöse
Minderheiten. Die Charta verlangt nicht nur deren Duldung, sondern sogar deren
Förderung. Die baltischen Staaten haben immer schon diese Forderungen ignoriert
und betreiben eine politisch-kulturelle Zwangsassimiliation ihrer
russisch-sprachigen Minderheit. Dieselbe Politik wird in der Ukraine seit 2014
verfolgt. Im Westen wurde dieses Vorgehen nie beanstandet, obwohl es zum
Ursachen von Spannungen und Krieg gehört.
Hier liegt ein grundlegendes Problem der Politik in osteuropäischen Ländern, das
gelöst werden muss, wenn es dort einen dauerhaften Frieden geben soll. Eine
Änderung der Politik in den baltischen Staaten und in der Ukraine ist nötig. Wie
verhält sich Russland in seinen neuen Gebieten gegenüber den
Ukrainischsprachigen?
Ein Friedenskonzept muss Aussagen über dieses Thema enthalten.
| Heute leben wir leider in einer anderen Welt. Die auf den Prinzipien der KSZE
| Schlussakte basierende europäische Sicherheitsordnung wurde schon in den letzten
| Jahrzehnten vor dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine immer
| mehr untergraben - auch durch den „Westen" - so etwa durch den Angriff der Nato
| auf Serbien 1999, durch den Krieg im Irak mit einer „Koalition der Willigen"
| 2003 oder durch Nichteinhaltung der 1995 bekräftigten nuklearen
| Abrüstungsverpflichtungen des Atomwaffensperrvertrags, durch Aufkündigung oder
| Missachtung wichtiger Rüstungskontrollvereinbarungen zumeist durch die USA oder
| auch durch eine völlig unzureichende Umsetzung der Minsker Abkommen nach 2014.
Stimmt schon: Fehlt allerdings das Eingreifen westlicher Staaten in Ukraine
2013, um einen Wechsel der Regierung in der Ukraine zu erzwingen. Und es fehlt
die Unterstützung der illegalen ukrainischen Regierungvom Februar 2014.
Aber, wie gesagt, solch ein Manifest ist kein politikwissenschaftlicher
Text. Die Kritik an der „eigenen" Seite bleibt deshalb vorsichtig, ob aus
Absicht oder weil man es selbst nicht besser weiß, mag dahin gestellt sein.
| Diese historische Entwicklung zeigt: Nicht einseitige Schuldzuweisungen, sondern
| eine differenzierte Analyse aller Beiträge zur Abkehr von den Prinzipien von
| Helsinki ist notwendig. Gerade deshalb dürfen wir jetzt nicht die Lehren aus
| der Geschichte vergessen. Eine Rückkehr zu einer Politik der reinen Abschreckung
| ohne Rüstungskontrolle und der Hochrüstung würde Europa nicht sicherer
| machen. Stattdessen müssen wir wieder an einer Friedenspolitik mit dem Ziel
| gemeinsamer Sicherheit arbeiten.
Jetzt fehlt eine Analyse der grundlegenden Veränderungen des Verhältnisses
zwischen dem Westen und Russland vor dem Krieg. Sowohl die Ukraine als auch
führende Politiker des Westens haben bestätigt, dass die Minsker Abkommen
niemals eingehalten werden sollten. Russland wusste das immer schon und hat es
hingenommen. Die Kriegsgefahr wuchs, als der ukrainische Präsident 2021 ein
Papier unterzeichnete, das auch die militärische Rückholung der Ukraine vorsah,
https://www.president.gov.ua/documents/1172021-37533, und die Ukraine und die
USA im November 2021 ein Abkommen schlossen, in dem dieses Vorgehen unterstützt
wurde https://2021-2025.state.gov/u-s-ukraine-charter-on-strategic-partnership/.
Ein Manifest in und für die SPD, das diese Vorgeschichte ins Bewusstsein
zurückholen wollte, hätte allerdings keine Chance auf Unterstützung. Es bietet
jetzt jedoch die Möglichkeit, an sie zu erinnern.
Ebenso fehlt, welche Schlüsse man in Russland aus dem Verhalten des Westens
während des Kriegs gezogen hat. Einfach gesagt: Aus der Sabotage der Istanbuler
Verhandlungen 2022 durch den Westen hat man dort den Schluss gezogen, dass es
für Russland keine Möglichkeit mehr gibt, Zusagen aus dem Westen zu
vertrauen. Es kann deshalb keine Verträge mit dem Westen mehr geben, in denen
der Westen dieses oder jenes Verhalten in der Zukunft zu zeigen. Damit sind
Verhandlungen, in denen um Kompromisse gerungen wird, aus russischer Sicht
unmöglich geworden. Es kann nur noch Abkommen geben, in denen Fakten so
geschaffen und anerkannt werden, wie Russland sie nach seiner Auffassung zur
Gewährleistung seiner Sicherheit will. Dabei handelt es sich momentan um die
Anerkennung der Annektionen von 2022, das Verbot jeglicher Zusammenarbeit der
Ukraine mit der Nato und die Reduzierung der ukrainischen Armee auf eine eher
dekorative Größe. Verhandlungen mit dem Ziel von Kompromissen will Russland
nicht führen. Vorläufige Ergebnisse, wie Trump sie mit der Hinnahme der
russischen Territorialgewinne anbot, sind zu wenig, denn es könnte aus
russischer Sicht ja sein, dass ein nächster US-Präsident davon wieder abrückt.
Diese russische Position macht es für Friedensbewegte innerhalb und außerhalb
der SPD schwierig, Verhandlungen zu fordern. Man kann nicht, ohne öffentlich
zerstört zu werden, die Anerkennung aller russischen Forderungen als Grundlage
von Verhandlungen fordern. Man kann es aber vor allem nicht, weil das
Völkerrecht noch zu gelten hat: Die Ukraine existiert völkerrechtlich noch immer
in den Grenzen von 2013. Man kann friedensbewegt einen modus vivendi fordern und
dazu Vorschläge machen, um die großen Klippen zu umschiffen. Solch ein Manifest
kann das in all der gebotenen Kürze nicht, aber vielleicht hätte es darauf
aufmerksam machen können, damit die politischen Folgen des westlichen Verhaltens
während des Kriegs in der Öffentlichkeit angesprochen werden können, überhaupt
erst in den Blick geraten.
Das Konzept der gemeinsamen Sicherheit von Staaten ist damit nicht überholt,
aber es könnte zu kurz sein: Es muss durch eine gemeinsame Sicherheit der
Menschen, der Mehrheits- und der Minderheitsbevölkerung in den Staaten erweitert
werden. Nur dann könnte man im Westen sagen, dass man die gegenwärtigen Grenzen
akzeptiert.
| Vielen scheint gemeinsame Sicherheit heute illusorisch. Das ist ein gefährlicher
| Trugschluss, weil es zu einer solchen Politik keine verantwortungsbewusste
| Alternative gibt. Dieser Weg wird nicht einfach sein. Vor echten
| vertrauensbildenden Maßnahmen braucht es deshalb zunächst kleine Schritte: die
| Begrenzung weiterer Eskalation, den Schutz humanitärer Mindeststandards, erste
| technische Kooperationen etwa im Katastrophenschutz oder der Cybersicherheit
| sowie die behutsame Wiederaufnahme diplomatischer Kontakte. Erst wenn solche
| Grundlagen geschaffen sind, kann Vertrauen wachsen – und damit der Weg frei
| werden für eine neue europäische Sicherheitsarchitektur. Auch der öffentliche
| sicherheitspolitische Diskurs muss dazu beitragen.
Stimmt.
| Zudem ist Europa heute mehr denn je gefordert, eigenständig Verantwortung zu
| übernehmen. Unter Präsident Trump verfolgen die USA erneut eine Politik, die auf
| Konfrontation besonders gegenüber China setzt. Damit wächst die Gefahr einer
| weiteren Militarisierung der internationalen Beziehungen. Europa muss dem eine
| eigenständige, friedensorientierte Sicherheitspolitik entgegensetzen und aktiv
| an einer Rückkehr zu einer kooperativen Sicherheitsordnung mitwirken –
| orientiert an den Prinzipien der KSZE-Schlussakte von 1975.
Auch richtig. Aber wäre dazu nicht eine Reform der EU erforderlich? Wenn ja,
welche?
| Dabei ist klar: Eine verteidigungsfähige Bundeswehr und eine Stärkung der
| sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit Europas sind notwendig.
|
| Diese Verteidigungsfähigkeit muss aber in eine Strategie der Deeskalation und
| schrittweisen Vertrauensbildung eingebettet sein, – nicht in einen neuen
| Rüstungswettlauf. Tatsächlich sind allein die europäischen Mitgliedsstaaten der
| NATO, selbst ohne die US-Streitkräfte, Russland konventionell militärisch
| deutlich überlegen. Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme
| schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur
| Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung
| zwischen NATO und Russland.
Auch richtig. Aber wäre dazu nicht eine Reform der EU erforderlich? Wenn ja,
welche?
| Zentrale Elemente einer neuen, zukunftsfähigen Friedens- und Sicherheitspolitik
| sind daher:
|
|
| - Möglichst schnelle Beendigung des Tötens und Sterbens in der Ukraine. Dazu
| brauchen wir eine Intensivierung der diplomatischen Anstrengungen aller
| europäischen Staaten. Die Unterstützung der Ukraine in ihren
| völkerrechtlichen Ansprüchen muss verknüpft werden mit den berechtigten
| Interessen aller in Europa an Sicherheit und Stabilität. Auf dieser Grundlage
| muss der außerordentlich schwierige Versuch unternommen werden, nach dem
| Schweigen der Waffen wieder ins Gespräch mit Russland zu kommen, auch über
| eine von allen getragene und von allen respektierte Friedens- und
| Sicherheitsordnung für Europa.
Stimmt. Aber, wie gesagt, Verhandlungen mit dem Ziel von Kompromissen sind
derzeit nicht möglich.
| - Herstellung einer eigenständigen Verteidigungsfähigkeit der europäischen
| Staaten unabhängig von den USA. Stopp eines Rüstungswettlaufs. Europäische
| Sicherheitspolitik darf sich nicht am Prinzip der Aufrüstung und
| Kriegsvorbereitung, sondern muss sich an einer wirksamen
| Verteidigungsfähigkeit orientieren. Wir brauchen eine defensive Ausstattung
| der Streitkräfte, die schützt ohne zusätzliche Sicherheitsrisiken zu
| schaffen.
|
| - Für eine auf Jahre festgelegte Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 3,5
| oder 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gibt es keine sicherheitspolitische
| Begründung. Wir halten es für irrational, eine am BIP orientierte
| Prozentzahl der Ausgaben für militärische Zwecke festzulegen. Statt immer
| mehr Geld für Rüstung brauchen wir dringend mehr finanzielle Mittel für
| Investitionen in Armutsbekämpfung, für Klimaschutz und gegen die Zerstörung
| der natürlichen Lebensgrundlagen, von denen in allen Ländern Menschen mit
| geringen Einkommen überdurchschnittlich betroffen sind.
Stimmt.
| - Keine Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in
| Deutschland. Die Stationierung von weitreichenden, hyperschnellen
| US-Raketen-Systemen in Deutschland würde unser Land zum Angriffsziel der
| ersten Stunde machen.
Stimmt.
| - Bei der Überprüfungskonferenz im Jahr 2026 zum Atomwaffensperrvertrag gilt
| es, die Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung nach Art. 6 zu erneuern und mit
| verbindlichen Fortschrittsberichten sowie völkerrechtlichen "No First
| Use"-Erklärungen zu stärken.
Völlig aus dem Blick geraten.
| - Gleichzeitig gilt es auf die Erneuerung des 2026 auslaufenden New
| Start-Vertrags zur Verringerung strategischer Waffen und auf neue
| Verhandlungen über Rüstungsbegrenzung, Rüstungskontrolle, vertrauensbildende
| Maßnahmen sowie Diplomatie und Abrüstung in Europa zu drängen.
Stimmt.
| - Schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer
| Zusammenarbeit mit Russland sowie die Berücksichtigung der Bedürfnisse des
| Globalen Südens insbesondere auch zur Bekämpfung der gemeinsamen Bedrohung
| durch die Klimaveränderungen.
|
| - Keine Beteiligung Deutschlands und der EU an einer militärischen Eskalation
| in Süd-Ost-Asien.
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My two cents.
https://de.wikipedia.org/wiki/My_two_cents
Andere Texte:
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-06/spd-manifest-krieg-russland-lars-klingbeil/komplettansicht
https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/weder-abwegig-noch-empoerend-8348/
https://www.tagesanzeiger.ch/ukraine-krieg-wie-wichtig-ist-die-infantrie-noch-270739132119
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-06/friedensmanifest-spd-aussenpolitik-russland-krieg
https://www.zeit.de/politik/ausland/karte-ukraine-krieg-russland-frontverlauf-truppenbewegungen
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-06/spd-manifest-russland-aussenpolitik-ukraine-krieg-bundeswehr
---
https://friedenslage.blogspot.com/