Sonntag, 1. September 2024

Friedenslage am 01.09.2024 (13:10:49)

„"Wir brauchen Genehmigungen" Selenskyj will russische Flugplätze angreifen"
https://www.n-tv.de/politik/Selenskyj-will-russische-Flugplaetze-angreifen-article25195945.html

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| Kiew lässt nicht locker: Erneut bittet Präsident Selenskyj die westlichen
| Partner um die Freigabe zum Einsatz schwerer Waffen gegen Ziele in
| Russland. Anders könne Moskau kaum zu einem Ende des Krieges gezwungen
| werden. Offenbar wurde den USA sogar bereits eine Liste mit konkreten Zielen
| überreicht.
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„Ukrainische Langstreckendrohnen nutzen westliche Technologie, um Russland zu treffen
vor 3 Tagen - Jonathan Beale - Thomas Spencer"
https://www.bbc.com/news/articles/c6240qepyppo

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| Westliche Technologie und Finanzen helfen der Ukraine, Hunderte von
| Langstreckenangriffen innerhalb Russlands durchzuführen.
| Und das, obwohl sich die Nato-Verbündeten immer noch weigern, der Ukraine die
| Erlaubnis zu geben, vom Westen gelieferte Munition dafür einzusetzen – vor allem
| aus Angst vor einer Eskalation.
| Die Ukraine hat in den letzten Monaten ihre Langstreckenangriffe in Russland
| verstärkt und mehrmals pro Woche Dutzende von Drohnen gleichzeitig auf
| strategische Ziele abgeschossen.
| Zu den Zielen gehören Luftwaffenstützpunkte, Öl- und Munitionsdepots sowie
| Kommandozentralen.
| Ukrainische Firmen produzieren derzeit jeden Monat Hunderte von bewaffneten
| Einweg-Angriffsdrohnen zu einem Bruchteil der Kosten, die für die Herstellung
| einer ähnlichen Drohne im Westen anfallen.
| Ein Unternehmen sagte der BBC, dass es bereits mit relativ geringen Kosten
| unverhältnismäßige Auswirkungen auf die russische Kriegswirtschaft habe.
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„Energie-Infrastruktur im Visier - Moskauer Raffinerie und Kraftwerk stehen in
Flammen"
https://www.n-tv.de/politik/Moskauer-Raffinerie-und-Kraftwerk-stehen-in-Flammen-article25196084.html

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| Massive ukrainische Drohnenangriffe haben nach russischen Angaben eine
| Raffinerie in Moskau und zwei Kraftwerke getroffen. In der Raffinerie Kapotnja
| im Südosten der Hauptstadt brach ein Brand aus, den die Feuerwehr in die höchste
| Schwierigkeitsstufe einordnete, wie die staatliche Nachrichtenagentur TASS
| meldete. Offiziell bestätigt wurden Angriffe auf ein Kraftwerk am südlichen
| Stadtrand von Moskau sowie auf ein Kraftwerk im Gebiet Twer etwa 100 Kilometer
| nordöstlich der Metropole.
|
| Russische Internetmedien veröffentlichten unbestätigte Videos, die nahelegten,
| dass es auch in diesen Anlagen brennt. Trümmer von Drohnen fielen im Umland von
| Moskau nieder, wie Bürgermeister Sergej Sobjanin auf Telegram berichtete.
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Während die russische Armee im Donbass Richtung Pokrowsk voranschreite - man
hört davon, dass die ukrainische Armee ihre Stellungen fluchtartig verlässt -,
greift die Ukraine mit Boden-Boden-Systemen weit nach Russland hinein an. Ob das
zu einem ukrainischen Erfolg im Krieg beiträgt, kann schwer gesagt werden,
letztlich entscheiden die Entwicklungen auf dem Boden.

Aber es handelt sich um eine Steigerung der Kriegsführung. Dass die einen
„Eskalation" sagen, weil eine neue Ebene der Kriegsführung betreten werde,
während die anderen diesen Begriff her bestreiten, weil Russland immer schon
tief in die Ukraine hinein geschossen hat, ist nicht so erheblich. Fakt ist, die
ukrainische Armee setzt neue (eigene?) Waffen in einer neuen Weise ein. Und sie
will diese Art des Einsatzes verstärken, indem sie Waffen, die ihr mit Vorbehalt
geliefert wurden, nun auch in dieser Art einsetzen will.

Die USA haben sich vermutlich was dabei gedacht, dass sie bestimmte Einsätze
ihrer Waffen nicht genehmigt haben. Das hängt mit Abschreckung, mit atomarer
Abschreckung zusammen.

Niemand weiß vorher, wann jener Punkt überschritten ist, an dem Atomwaffen
eingesetzt werden. Niemand weiß deshalb vorher, was bloße Rhetorik ist, ab wann
die Rede todernst gemeint ist. Deshalb ein paar Gedanken zur „Abschreckung".


Über Abschreckung, eine Erinnerung von Arno Gottschalk:
https://x.com/ArnoGottschalk/status/1829194977462636748

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| Der Kommentar ist mittlerweile zwei Jahre alt, hat aber an Aktualität nichts
| verloren. Nachfolgend in deutscher Übersetzung die wichtigsten Aussagen:
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| 1. Nukleare Abschreckung in der Ukraine-Krise: - „Die nukleare Abschreckung hat
| die Eskalation des Konflikts trotz brutaler Kämpfe, hoher Opferzahlen und der
| Lieferung erheblicher Mengen westlicher Waffen an die Ukraine in erheblichem
| Maße begrenzt." - „Es gibt keine Garantie dafür, dass dies auch weiterhin der
| Fall sein wird, und es kann auch keine geben."
|
| 2. Bedeutung der nuklearen Bedrohung: - „Russland verfügt über Atomwaffen und
| kann innerhalb weniger Minuten Millionen von Menschen töten. Dies ist eine ganz
| andere Realität als die Umstände, die zur Invasion im Irak oder zum Sturz von
| Moammar Gaddafi führten." - „Präsident Joe Biden hat das verstanden und war sich
| von Anfang an darüber im Klaren, dass er keine US-Bodentruppen in der Ukraine
| einsetzen würde."
|
| 3. Die Rolle der NATO und westlicher Atomwaffen: - „Die amerikanischen
| Atomwaffen sowie die Frankreichs und des Vereinigten Königreichs haben Russland
| davon abgehalten, die tödlichen Waffenarsenale anzugreifen, die sich jenseits
| der Grenze in Polen auftürmen, um sie in die Ukraine zu liefern." - „Die USA
| haben damit eine rote Linie gegen russische Angriffe auf NATO-Staaten gezogen."
|
| 4. Frustration über Beschränkungen durch nukleare Abschreckung: - „Viele
| Beobachter, insbesondere in den Vereinigten Staaten, haben ihre Enttäuschung
| über die durch die nukleare Abschreckung auferlegten Beschränkungen zum Ausdruck
| gebracht." - „Abschreckung vereitelt per Definition die Ziele der
| Kombattanten. Und die Art und Weise, wie die nukleare Abschreckung diese Grenzen
| durchsetzt, ist das Risiko eines katastrophalen Schadens."
|
| 5. Historische und aktuelle Risiken: - „Ohne das Risiko, dass etwas furchtbar
| schief gehen könnte, würde die nukleare Abschreckung nicht mehr funktionieren."
| - „Die Vereinigten Staaten und Russland haben sich, wenn auch sehr vorsichtig,
| an diesen Abhang herangetastet."
|
| 6. Zukunft der Eskalation und Abschreckung: - „Wird Biden einen weiteren Schritt
| wagen? Wird Putin?" - „Die Tatsache, dass dies schwierig, frustrierend und
| letztlich erschreckend ist, bedeutet nicht, dass die nukleare Abschreckung
| versagt."
|
| 7. Erfolg und Funktion der Abschreckung: - „Wir möchten daher klar und deutlich
| sagen, dass die nukleare Abschreckung in diesem Konflikt funktioniert hat - sie
| hat einen direkten Konflikt zwischen zwei Großmächten verhindert." -
| „Erfolgreiche nukleare Abschreckung ist sowohl frustrierend als auch
| erschreckend.
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Es lohnt, den Text, den Arno Gottschalk zitiert, ganz zu lesen: „Wer schreckt
wen ab? Die Stellung der Atomwaffen im modernen Krieg - Jeffrey Lewis und Aaron
Stein"
https://warontherocks.com/2022/06/who-is-deterring-whom-the-place-of-nuclear-weapons-in-modern-war/
Ein Auszug

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| Tom Schelling argumentierte, dass Analysten sich irrten, wenn sie vom Rande
| eines Atomkriegs sprachen, als sei er die "scharfe Kante einer Klippe, an der
| man fest stehen, nach unten schauen und entscheiden kann, ob man abstürzt oder
| nicht". Eine bessere Beschreibung, so argumentierte er, sei ein "gekrümmter
| Hang". Ein Führer mag sein Land auf diesen Hang drängen, aber "der Hang und die
| Gefahr des Abrutschens sind ziemlich unregelmäßig; Weder die Person, die da
| steht, noch die Zuschauer können sich ganz sicher sein, wie groß das Risiko ist
| oder wie sehr es steigt, wenn man ein paar Schritte nach unten geht."
|
| Die Vereinigten Staaten und Russland haben sich, wenn auch vorsichtig, auf
| diesen Hang begeben. Die Biden-Regierung zum Beispiel hat die Risiken der
| Lieferung von Raketensystemen an die Ukraine, die Ziele auf der russischen Seite
| der Grenze treffen können, sorgfältig abgewogen, bevor sie – nach Ansicht der
| Autoren zu Recht – entschied, dass solche Systeme bereitgestellt werden
| sollten. Dieser Schritt scheint sicher genug zu sein. Aber wir sollten uns
| darüber im Klaren sein, dass wir es nicht wirklich wissen und dass die Gefahr
| besteht, dass wir abrutschen. Vorsichtig auftreten.
|
| Wie sieht der nächste Schritt aus? Wird Biden einen weiteren Schritt wagen? Wird
| Putin das tun? Und dann ist da noch der ukrainische Präsident Wolodymyr
| Selenskyj. Es ist möglich, dass die Ukraine diese Systeme mit größerer
| Reichweite nutzen wird, um Ziele in Russland anzugreifen. Es ist möglich, dass
| Putin, frustriert von seinen Plänen in Bezug auf die Ukraine, sich dafür
| entscheidet, westliche Waffen ins Visier zu nehmen, wenn sie sich jenseits der
| Grenze in den NATO-Ländern stapeln. Es gibt immer wieder Aufrufe an Biden,
| russische Flugzeuge über der Ukraine anzugreifen oder russische Schiffe im
| Schwarzen Meer zu versenken. Wie würde die Reaktion auf solche Eskalationen
| ausfallen? Als Zuschauer wissen wir einfach nicht, wo der Abhang zu steil wird
| oder ob Putin oder Biden einen Fehler machen könnten – und sie wissen es auch
| nicht.
|
| Angesichts der Unsicherheit können Führungskräfte versuchen, daraus abzuleiten,
| was der andere denken könnte. Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin,
| zuzuhören, was ein Gegner sagt. Es ist verlockend, die Äußerungen unserer Gegner
| und ihre roten Linien als zynische Versuche abzutun, unsere Angst vor einer
| Eskalation zu ihrem politischen Vorteil zu manipulieren. Das steckt natürlich
| auch in ihrer Rhetorik und in unserer. Und doch haben sie rote Linien, so wie
| wir. Zu wissen, wo der Hang zu steil wird, ist ein sehr interessantes
| Glücksspiel.
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„Die neuen US-Raketen sind keine Antwort auf die russischen Iskander – Der wahre
Grund für die Kündigung des INF-Vertrag- 29. August 2024 - Arno Gottschalk"
https://diefreiheitsliebe.de/politik/die-neuen-us-raketen-sind-keine-antwort-auf-die-russischen-iskander-der-wahre-grund-fuer-die-kuendigung-des-inf-vertrags/
Der Beitrag von A. Gottschalk auf Twitter, auf den hier schon hingewiesen wurde:

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| Die geplante Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland wird
| damit begründet, dass Russland schon seit längerem ähnliche Waffensysteme
| besitze. Russland habe damit auch den Vertrag über das Verbot bodengestützter
| Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag) aus dem Jahre 1987 verletzt und dessen
| Kündigung durch die USA in 2019 provoziert.
|
| Diese Darstellung ist jedoch vorgeschoben und lenkt von den tieferliegenden
| strategischen Motiven ab, die tatsächlich zur Kündigung des INF-Vertrags durch
| die USA geführt haben und die hinter den Plänen zur Neuaufstellung
| amerikanischer Raketen stehen.
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Zwei Podcasts:

„Letzte Ausfahrt Verhandlungen -- Im Manova Exklusivgespräch diskutiert Walter
van Rossum mit General a. D. Erich Vad über sein Buch „Abschreckend oder
erschreckend? Europa ohne Sicherheit".„
https://www.manova.news/artikel/letzte-ausfahrt-verhandlungen

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| Bundeswehr-Offiziere, so könnte man mutmaßen, agieren in Fragen von Krieg und
| Frieden eher als „Falken". Das stimmt aber nicht unbedingt. Wir haben bei der
| jüngsten Eskalation im Verhältnis mit Russland oft gesehen, wie ungediente
| Ampel-Politiker mit dem Säbel rasselten, während ehemalige Soldaten zur
| Besonnenheit mahnten. Ein Grund dafür könnte sein: Letztere kennen sich in der
| Materie besser aus. Ehemalige Soldaten können einschätzen, ob Russland
| militärisch zu besiegen ist und welche Folgen eine weitere Eskalation hätte. Der
| ehemalige Brigadegeneral Dr. Erich Vad jedenfalls legte sich mit den
| „Zeitenwende"-Politikern an und erntete dafür den Vorwurf — man ahnt es fast
| schon —, ein „Putinversteher" zu sein. Im Interview mit Walter van Rossum tritt
| Vad vehement für eine Verhandlungslösung sowie für die verteidigungspolitische
| Selbständigkeit Europas ein.
|
| von Walter van Rossum
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„Dr. Ulrich Kühn, Rüstungsexperte und Friedensforscher"
https://open.spotify.com/episode/6AcZtxin0HRRivVYmp41Tg

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| Seit zweieinhalb Jahren tobt Krieg in Europa, und die Menschen sind besorgt: Wie
| geht es weiter? Was, wenn der Krieg eine nukleare Dimension bekommt? Wie verhält
| sich der Westen? Genießen wir noch den bedingungslosen Schutz unserer
| Bündnispartner? Wo verläuft die Grenze zwischen Abschreckung und Drohung?
| Dr. Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der
| Universität Hamburg leitet den Forschungsbereich „Rüstungskontrolle und neue
| Technologien". Er beobachtet die internationale Politik und analysiert die
| Abläufe. Und er stellt sich die Frage, wie eine neue Friedensordnung in Zeiten
| einer globalisierten Welt aussehen könnte, die sowohl den eigenen
| Handlungsrahmen der einzelnen Nationen als auch überregionale Werte und Probleme
| berücksichtigt. Mit Bent-Erik Scholz redet er über die politischen und
| wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Blöcke, Hintergründe und Kausalketten,
| und moralische Dilemmata.
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Podcasts sind nicht gerade mein Lieblingsmedium. Dauert mir immer viel zu
lange. Aber hier habe ich eine Ausnahme gemacht. Hat sich gelohnt.

--
https://friedenslage.blogspot.com/