Dienstag, 21. Juli 2020

Friedenslage am 21.07.2020 (13:47:11)

Ein "Staatsbürger in Uniform" beklagt sich über mangelnde Anerkennung,
aber vor allem über den eigenen Verein.
https://twitter.com/Kjell_Tan/status/1284417748983001088 und folgende
Tweets

,----
| Wir #Bundeswehr sind aktuell medienpräsent. Negativ. Die üblichen
| Verdächtigen sind da und wie immer sind es krakeelenden Ränder, die am
| lautesten sind. Was sich aber auch zeigt, ist dass wir als Angehörige
| der Streitkräfte dazu neigen uns ebf in die Schlammzone zu werfen. ...
|
| Ein Vorgesetzter von mir sagte mal Offizier sei ein konservativer
| Beruf. Ich war aufgrund meiner pol Einstellung pikiert. Jetzt, mit
| Abstand: Er meinte wohl genau das. Nicht über jedes Stöckchen
| springen. Nicht jeder Rückmeldung hinterherjapsen. Wir müssen (!) größer
| sein als das
`----

Es fehlt der Truppe ein Selbstbewusstsein, das sie Krisen der
Anerkennung überstehen lässt. Vermutlich ist das in vielen Armeen
anderer Länder anders, sie sind in irgendeiner Weise positiv mit der
Geschichte des Landes verbunden. Genau diese öffentliche Zuschreibung
fehlt der Bw. Das schwächt sie in ihrer politischen Bedeutung, im
inneren seelischen Haushalt der Nation und in ihrem eigenen seelischen
Innenleben. Mag sein, dass es für viele Angehörige der Bw reicht, diese
Schwäche durch guten Dienst zu verdrängen. Aber diese Schwäche wird sich
immer wieder bemerkbar machen, es sei denn, ihre historischen und ihre
gegenwärtigen Ursachen werden angegangen.

Etwa dieses: Ist die Bw eine Armee, deren Gründung und Aufbau vom
westdeutschen (Wahl-)Volk gewollt und bejaht wurde? Oder ist sie gegen
den Widerstand eine großen Teils der Deutschen (In West und Ost)
durchgesetzt worden? Sie ist irgendwie "integriert", aber sie ist kein
positiv besetzter Teil einer deutschen Erinnerungskultur.

Sie selbst hat ja auch bis heute keine eigene Geschichte
geschaffen. Zwar hat sie sich von Wehrmachtstraditionen verabschiedet,
feiert nun aber einen Widerstand in der Wehrmacht, der weder
demokratisch noch antifaschistisch war, zweifellos eine Verlegenheit,
man scheint sonst nichts zu haben. Mitmenschliche Anerkennung hat die Bw
sich bei Fluteinsätzen an Elbe und Oder geholt, eine Anerkennung für
militärische Leistung, die den Menschen dieses Landes dienen,
fehlt. Vermutlich, weil es sie nicht gibt. Eine Armee ohne Taten, ohne
Helden, mit denen sich Staatsbürger*innen identifizieren können.

Niemand weiß, ob ihre Gründung in den 1950ern die UdSSR mit davon
abgehalten hat, ihre Streitkräfte nach Westeuropa ausgreifen zu
lassen. Dagegen spricht, dass proportional zum Aufbau der 500.000
Mann-Armee die Streitkräfte der USA etc auf westdeutschem Boden
verringert wurden, aber vor allem war auch damals schon erkennbar, dass
die UdSSR nach den ungeheuren Kriegsverlusten vor allem mit sich selbst
beschäftigt sein wollte.

Und schaut man in die Gegenwart: Ihre Auslandseinsätze haben das Ansehen
der Bw nicht heben können. Weder die Beteiligung am (siegreichen) Krieg
gegen Jugoslawien noch die Einsätze im (schon lange verlorenen Krieg) in
Afghanistan haben der Bw zu einem patriotischen Narrativ verhelfen
können. Der militärischen Wende nach 2014 fehlt bis heute eine breit
vermittelbar rationale Begründung. Die Erzählungen über die
Ukraine-Krise beginnen immer erst mit dessen zweitem Akt, eine
Atmosphäre von Unredlichkeit umgibt diese Neuausrichtung der Bw. Die
diensteifrige Unterstützung der US-Übung Def20 kann in Trump-Zeiten
ebenfalls keinen Zuwachs an Anerkennung schaffen, genauso wenig wie das
Festhalten an einer "Nuklearen Teilhabe", die keine Mitbestimmung ist,
sondern Speditions- und Abwurfdienste meint, deren militärischer Sinn
selbst von Militärs nicht mehr erklärt werden kann, stattdessen muss
bündnispolitische Gemütslagen und (mangels Verhandlungsaussicheten gar
nicht existente) rüstungskontrollpolitische Erwägungen zurück gegriffen
werden
(s. zB. https://gids-hamburg.de/nukleare-teilhabe-ungeliebter-pfeiler-transatlantischer-sicherheit/).

Dass unter diesen Umständen ein großer Teil der Angehören der Bw
politisch orientierungslos ist, kann nicht verwundern. Aus der Marine
weiß man, dass die Mehrheit der Soldaten gar nicht weiß, wozu ihre Armee
gebraucht wird.

Schon mal zitiert, immer wieder neu erstaunlich:
https://www.bundeswehr.de/resource/blob/276672/d3f9316495c0bfed8a59bd1c82a5e1ba/zur-identitaet-der-deutschen-marine-marineforum-7-8-2020-seiten-19-25-data.pdf
,----
| Drei von vier Soldaten fällt es schwer darzulegen, wofür sie arbeiten
| und worauf sie hinarbeiten, drei von vier Soldaten beklagen einen
| fehlenden Wertediskurs in der Marine. Vielen erschließt sich nicht,
| wofür (für welches höhere Ziel) sie eigentlich arbeiten (dienen) und
| wünschen sich mehr Erklärung der und Teilhabe an den aktuellen Einsätzen
| von Marine und Bundeswehr seitens der Politik. Doch es gehört zwingend
| zum Wesen einer modernen Berufsarmee, für das, was sie tut, für jeden
| Einsatz, ein ehrliches und berührendes Rational zu finden und dieses
| Rational emotional und aktivierend zu vermitteln. Um es auf den Punkt zu
| bringen: Wenn Soldaten nicht wissen, wofür sie kämpfen, warum sollten
| sie dann überhaupt kämpfen?
`----

Was tun? Es gibt keinen schnellen Ausweg aus diesem psychopolitischen
Desaster, das die Politik den Soldaten*innen organisiert
hat. Seelenmassage allein wird nicht helfen. Voraussetzung einer Wende
im inneren Leben der Bw und ihrer Angehörigen wäre eine grundlegende
politische Wende zu einer Politik der gegenseitigen kollektiven
Sicherheit in Europa unter Rückgriff auf die Charta von Paris in
Verbindung mit einer unverschwiemelten Neuerzählung der Geschichte der
Bw.



Globalisierung und Frieden?
https://twitter.com/CarloMasala1/status/1282957723416526848
Eine veraltete Erzählung: Globalisierung fördere den Frieden, weil sie
mit der ökonomischen Verflechtung zur gegenseitigen Abhängigkeit
führe. Nun, da die westliche Welt gegen China zusammen getrommelt werden
muss, ist eine neue Erzählung nötig:

,----
| Weil gestern zwischen diesen beiden Herren so viel Einigkeit über
| Globalisierung und Frieden bestand, ein kleiner Thread. ...
|
| 8. Die Annahme, dass Handel Frieden födert, ist eine "liberale
| Illusion", wie Katherine Barbieri deutlich gezeigt hat. Warum? Ein
| Grund ist, dass in dem Begriff Interdependenz, Dependenz, als
| Abhängigkeit, drinsteckt. Und insbesondere Großmächte sind darum bemüht,
| nicht abhängig von anderen Staaten zu werden. Heute ist die Welt
| ungleicher denn je. ...
|
| Globalisierung war nie friedensfördernd, wie dargelegt wurde. Also
| sollte man Globalisierung ideologisch nicht aufladen. Sie taugt nicht
| dazu.
|
| Addendum: Alternative Erklärungsansätze müßten natürlich auch überprüft
| werden. Struktur des Internationalen Systems, Int. Organisationen,
| nukleare und konventionelle Abschreckung, Normen etc. pp
`----

Naja, so ganz unbekannt ist das alles nicht,
https://de.wikipedia.org/wiki/Ultraimperialismus Neu aber jetzt: Das
ideologische Instrumentarium wird neu sortiert.



Ein unkonventioneller Blick auf die deutsche Politik in der EU
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-07/europa-eu-deutschland-angela-merkel-eurokrise-griechenland/komplettansicht
Erwartet man in der ZEIT nicht.



USA-Truppen auf der Welt
https://twitter.com/general_ben/status/1282270953444179968

,----
| The US doesn't...or shouldn't...send troops to places because a
| particular country "deserves it"...these deployments are not some kind
| of a reward...these are for our own strategic purposes.
`----



Massenmedien und Krieg
https://kontrast.at/noam-chomsky-medien-edward-s-herman/

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| Das Geschäft mit der Wahrheit: Wie Medien gesteuert werden. Noam Chomsky
| & Edward S. Herman
`----
Nähere Erläuterungen:
https://prruk.org/noam-chomsky-the-five-filters-of-the-mass-media-machine/
https://de.wikipedia.org/wiki/Propagandamodell
https://en.wikipedia.org/wiki/Propaganda_model
https://de.wikipedia.org/wiki/Manufacturing_Consent:_The_Political_Economy_of_the_Mass_Media


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https://friedenslage.blogspot.com/