Donnerstag, 7. Juli 2022

Friedenslage am 07.07.2022 (21:00:49)

Zur Nato-Tagung in Madrid
https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_196951.htm

Nach einer heftigen Kritik an Russland findet sich im
Abschlusskommuniqué dieser Absatz zur Ukraine:

,----
| Wir begrüßen die Teilnahme von Präsident Selenskyj an diesem
| Gipfeltreffen sehr. Wir stehen in voller Solidarität mit der Regierung
| und dem Volk der Ukraine bei der heldenhaften Verteidigung ihres
| Landes. Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Unterstützung für die
| Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine
| innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen, die sich bis zu ihren
| Hoheitsgewässern erstrecken. Wir unterstützen uneingeschränkt das
| inhärente Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung und auf die Wahl
| ihrer eigenen Sicherheitsvorkehrungen. Wir begrüßen die Bemühungen aller
| Bündnispartner, die sich für die Unterstützung der Ukraine
| einsetzen. Wir werden sie angemessen unterstützen und ihre spezifische
| Situation anerkennen.
`----

Was meinen die Formulierung von der „unerschütterlichen Unterstützung"?
Was sagt es, wenn die Nato „uneingeschränkt unterstützt"? Was heißt es,
jene Staaten, die die Ukraine unterstützen von der Nato „angemessen"
unterstützt werden, wenn deren „spezifische Situation" anerkannt wird?
Irgendwie liest sich das als „Wir unterstützen alle und alles, aber
treibt es nicht zu dolle." Der Text enthält keinen expliziten Vorbehalt,
weder gegenüber der Ukraine noch gegenüber den Partner der Ukraine. Und
trotzdem, es scheint, als wäre da etwas Zurückhaltung im Text.

Später wird das Thema wieder aufgenommen:

,----
| Wir werden die politische und praktische Unterstützung für unseren engen
| Partner Ukraine fortsetzen und weiter verstärken, während er weiterhin
| seine Souveränität und territoriale Integrität gegen die russische
| Aggression verteidigt. Gemeinsam mit der Ukraine haben wir ein
| gestärktes Unterstützungspaket beschlossen. Dies wird die Lieferung
| nichtletaler Verteidigungsgüter beschleunigen, die Cyberabwehr und
| -resilienz der Ukraine verbessern und die Modernisierung ihres
| Verteidigungssektors im Übergang zur Stärkung der langfristigen
| Interoperabilität unterstützen. Längerfristig werden wir der Ukraine
| helfen und die Bemühungen auf ihrem Weg des Wiederaufbaus und der
| Reformen nach dem Krieg unterstützen.
`----

Einfacher gesagt: Wir werden alles mögliche liefern, nur keine richtigen
Waffen. Und wir werden uns darum kümmern, dass die Ukr-Armee weiter
nato-Kompatibel wird.

Aber wieder werden weder ein politisches noch ein
politisch-militärisches Konzept für den jetzigen Krieg deutlich, noch
nicht mal in Andeutungen.

Man könnte es lesen als „Wir wissen nicht, wie der Krieg ausgehen wird,
vermutlich wird die Ukraine verlieren, aber das sagen wir lieber nicht
laut, dafür liefern wir mancherlei Material und nach dem Krieg sehen wir
weiter, wie wir die Ukraine zu einem Teil von uns, der Nato, machen
können, irgendwie wird das schon laufe...

Das verabschiedete „Strategische Konzept" der Nato:
https://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/2022/6/pdf/290622-strategic-concept.pdf
Eine kritische Analyse dieses Konzepts:
https://www.imi-online.de/2022/07/05/bollwerk-des-westens/
Und eine Einschätzung der Nato angesichts ihres chronischen Selbstlobs:
https://www.imi-online.de/2022/07/04/schoengeredetes-kriegsbuendnis-zur-geschichte-der-nato/

Die Ratlosigkeit der Nato bestärkt natürlich jene, die nach einem Ausweg
suchen. Hier ein Text eines der Autoren des jüngsten Briefes, der vom
Westen Verhandlungsinitiative fordert:
https://www.docdroid.net/YaXlmLq/ukraine-krieg-pdf

,----
| Wie viele Menschenopfer lassen sich ethisch verantworten, um die Krim
| zurückzuerobern? Wie viele die Vertreibung russischerTruppen aus
| Luhansk, Donezk und Mariupol? Zu argumentieren, dies habe allein die
| ukrainische Regierung zu entscheiden, überdehnt den auch ethisch
| gebundenen Repräsentationsgedanken und entbindet nicht diejenigen von
| eigenen ethischen Überlegungen, die massiv Waffen liefern. ...
|
| Wer argumentiert, Verhandlungen machten erst Sinn, wenn die Ukraine über
| Rückeroberungen bessere „Verhandlungschips" bekomme, muss klar sagen,
| wie viele Menschen für diese Chips geopfert werden dürfen.
`----

Auf Twitter hat es natürlich Reaktionen auf diesen Text
gegeben. Allerdings keine, die wie Argumentation aussehen,
sondern Dummerhaftigkeiten und Beleidigungen.

Denn genau an dieser Stelle sind die Befürworter einer bedingungslosen
Fortsetzung des Kriegs in der Defensive: Weil sie noch nicht einmal
Kriegssziele angeben können, können sie sie auch nicht in ein Verhältnis
zu den Opfern, den Toten setzen. Sie können nicht sagen, wofür die
Menschen sterben sollen. Das ist der Punkt, vor dem sie sich
drücken. Eben deshalb die so oft ausrastende Reaktion.



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