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Militärische Unterstützung der Ukraine: Wann wird ein Staat zur
Konfliktpartei?"
https://www.bundestag.de/resource/blob/957632/44633615ad0618f5cd38c35ad0a30fe4/WD-2-023-23-pdf-data.pdf
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| Konfliktparteien im kriegsrechtlichen Sinne sind solche, die unmittelbar
| an den Feindseligkeiten teilnehmen (Art. 51 Abs. 3 ZP I/GK). Dies
| ist regelmäßig dann der Fall, sobald ein intervenierender Staat
| innerhalb des Konfliktgebiets mit eigenen Streitkräften militärisch
| agiert, um den Konfliktverlauf (gewaltsam) zu beeinflussen. Die
| Anwendung des humanitären Völkerrechts setzt indes nicht zwangsläufig
| die militärische Präsenz („boots on the ground", no-fly-zone) auf dem
| Schlachtfeld voraus. So kann die Beachtung von Vorschriften, welche die
| Konfliktparteien zu Vorsichtsmaßnahmen bei der Planung eines Angriffs
| verpflichten (vgl. Art. 57 ZP I/GK), bereits dann geboten sein, wenn
| der Unterstützerstaat eine Konfliktpartei mit Geheimdienstinformationen
| versorgt, bei denen er sicher sein kann, dass diese unmittelbar in den
| targeting-Prozess der Konfliktpartei einfließen werden. Nach
| Auffassung von Teilen der Literatur erschöpft sich der Begriff der
| „Teilnahme an Feindseligkeiten" nicht in der unmittelbaren Anwendung
| militärischer Gewalt, sondern kann u.U. auch Vorbereitungs- und
| Unterstützungshandlungen zugunsten einer Konfliktpartei umfassen.
| ...
|
| Die Schwierigkeit besteht darin, generelle kriegsfördernde Aktivitäten
| (war-sustaining activities), also etwa die Bereitstellung
| finanzieller oder logistischer Mittel, von Unterstützungsformen
| abzugrenzen, welche die Handlung des Unterstützerstaates und die
| Kriegsführung der unterstützten Konfliktpartei als gemeinsame
| (kollektive) Austragung von Feindseligkeiten (co-belligerency)
| erscheinen lassen. ...
|
| Nach überwiegender Auffassung in der Völkerrechtslehre muss zwischen der
| Unterstützungsleistung und der unterstützten Konfliktpartei ein
| operationeller Bezug (belligerent nexus) bestehen, der durch
| Kausalität und Koordinierung hergestellt wird:
|
| • Zum einen muss die
| Unterstützungshandlung darauf ausgelegt sein, die gegnerische
| Konfliktpartei unmittelbar zu schädigen. Sie muss zur Schädigung der
| gegnerischen Konfliktpartei kausal und direkt beitragen (direct
| causation). Dazu muss die Unterstützung in zeitlicher und
| geographischer Nähe zum Schadensereignis stehen. Der Schaden muss
| dabei eine gewisse Intensitätsschwelle („threshold of harm")
| überschreiten.5
|
| • Zum anderen müssen der Unterstützungsbeitrag und
| die Kampfhandlungen der unterstützten Konfliktpartei koordiniert
| werden. Durch die Koordinierung verbinden sich die Handlungen beider
| Partner zu einem gemeinsamen Vorgehen – einem Zusammenwirken im Sinne
| eines „pooling and sharing". Die Koordinierung könnte beispielsweise
| durch eine Beteiligung des Unterstützerstaates an der taktischen
| bzw. operationellen Entscheidungsfindung erfolgen (etwa beim targeting
| oder durch integrierte Kommandostrukturen).
|
| Wie die „Koordinierungs-Komponente" – also das gemeinsame Vorgehen und
| Zusammenwirken zwischen der kämpfenden und der unterstützenden Partei
| – konkret ausgestaltet sein muss, ist nicht abschließend
| geklärt. Staatspraxis und Völkerrechtsdoktrin sind diesbezüglich
| jedenfalls noch nicht hinreichend entwickelt und
| ausdifferenziert. ...
|
| Kriterien für indirekte Gewaltanwendung
|
| In der Völkerrechtsliteratur werden derzeit Kriterien und Merkmale
| diskutiert, nach denen eine militärische Unterstützung bei wertender
| Betrachtung aller Umstände als „indirekte" Form der Gewaltanwendung
| angesehen werden kann.9 Diese Kriterien weisen zum Teil
| unterschiedliche Schattierungen auf, lassen aber einige Grundelemente
| erkennen.
|
| 6.5.1. Subjektives Element
|
| Zunächst bedarf es eines subjektiven Elements aufseiten des
| unterstützenden Staates. Dieses Element ist von der politischen
| Motivation zu unterscheiden, die einen Unterstützerstaat dazu bewegt,
| einer Konfliktpartei unter die Arme zu greifen.93 Gemeint ist vielmehr
| eine Intention, den Drittstaat gewaltsam zu einem bestimmten Handeln
| (z.B. zur Einstellung der Kampfhandlungen oder zur Rückgabe eroberten
| Territoriums) zu zwingen (coercive intent) und damit einen direkten
| Beitrag zur Gewaltanwendung des von ihm unterstützten Staates zu
| leisten.
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Ist kompliziert wie alle Juristerei. Diesem Auszug kann man entnehmen,
dass ein Staat dann zur Konfliktpartei wird, wenn er koordiniert bei der
Erreichung politischer und militärischer Ziele hilft. (Wobei niemand
weiß, was das genau bedeutet, wo die Koordination anfängt und wo sie
aufhört.) Die bei uns übliche Argumentationsfigur „Solange wir nicht
selbst schießen, sind wir keine Konfliktpartei." ist jedenfalls zu
schlicht. Bei einem nicht genau bestimmbaren Punkt schlägt die bloße
Hilfestellung durch Lieferungen in koordiniertes Handeln um. Diesen
Punkt bestimmt jede Partei selbst, nach ihren Interessen und nach ihrer
Sichtweise. Wenn Russland eines Tages sagt „Wenn Ihr noch das oder das
macht, dann behandeln wir Euch als Konfliktpartei.", dann ist das eben
so. Ob die Gelehrten dem zustimmen oder nicht, ob irgendein Gericht
später dieses oder jenes sagt, hat erstmal keine Bedeutung.
Hier gilt wie immer: Was juristisch gelten mag oder auch nicht, ist
nicht so wichtig. Wichtiger ist, was glaubhaft in den Öffentlichkeiten
der Welt durchgesetzt wird.
„Banderisierung der Ukraine - Wie die »Organisation Ukrainischer
Nationalisten« die Geschichte des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts
umschreibt – mit Unterstützung Washingtons - Von Moss Robeson"
https://www.jungewelt.de/artikel/454683.html
Bislang gilt hierzulande / im Westen die Ukraine als ein Staat auf dem
Weg zu einer westlichen Demokratie. Und sicher waren im Maidan viele
Unterstützer dabei, die einen Wechsel von einer von Oligarchen gekauften
„Demokratie" zu einer ordentliche repräsentativen Demokratie wollten,
völlig richtig, völlig verständlich. Die Ukraine nach 2014 gab sich nach
außen als ein Staat, der sich auf diesem Weg befindet.
Den Einfluss des traditionellen ukrainischen extremistischen
Nationalismus hat man hierzulande mit Hinweisen auf die
Wahlergebnisse immer herunter gespielt. Dass der Staat durch eine
Bewegung gekapert werden könnte, die den Staatsapparat, die Armee, die
Öffentlichkeit, die Schulen zunehmend bestimmen könnte, hat man schlicht
ignoriert.
Anders in Polen. Dort will man einerseits diese Ukraine gegen Russland
stärken, andererseits erwartet man eine Abkehr von genau diesem
Nationalismus, weil er mit den Wolhynien-Massenmorden von 1943 verbunden
ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_in_Wolhynien_und_Ostgalizien,
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| Ihren Höhepunkt fanden die Massaker im Juli und August 1943. Der
| Befehlshaber der Gruppe UPA-Nord, Dmytro Kljatschkiwskyj, erklärte 1943
| in einer Direktive die Liquidierung aller „polnischen Elemente" zum
| Ziel.[35] Zwar sollten zunächst nur alle männlichen polnischen Bewohner
| dieser Gebiete im Alter zwischen 16 und 60 Jahre ermordet
| werden,[36][37] die Opfer der Massaker waren jedoch überwiegend
| polnische Frauen und Kinder.[38] Die Ukrainer hofften, durch die
| Beseitigung der Polen ihren künftigen Anspruch auf Wolhynien untermauern
| zu können.[1] Zudem galten die Ausschreitungen als Racheakt für Massaker
| seitens polnischer Nationalisten gegenüber ukrainischen Zivilisten,
| welche sich 1942 ereignet hatten.[39]
|
| Ab 1942 bis Kriegsende wurden allein in Wolhynien schätzungsweise
| 50.000–60.000 Polen,[40] unter Einschluss der übrigen Gebiete der
| Ukraine möglicherweise bis zu 100.000[41][1]–300.000[5][42] von
| ukrainischen Nationalisten getötet und 485.000 zur Flucht gezwungen.[43]
| Ihren Höhepunkt erreichten die Massaker am Blutsonntag, dem 11. Juli
| 1943. An diesem Tag haben Hundertschaften der UPA, „unterstützt von der
| ukrainischen Zivilbevölkerung, 100 polnische Dörfer angegriffen. […] Die
| Menschen wurden in den Kirchen getötet, während der Heiligen
| Messe. Viele Priester wurden mit Sensen zerstückelt, direkt am
| Altar."[44] „Bewohner wurden in Kirchen getötet, aus ihren Häusern
| gewaltsam herausgeholt, auf verschiedene Weise gefoltert."[4]
|
| Diese Massaker an der polnischen Bevölkerung, die polnischerseits als
| „Wolhynische Gemetzel" (rzeź wołyńska), ukrainischerseits als
| „Wolhynische Tragödie" (Волинська трагедія) bezeichnet werden, fanden
| ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, teilweise zumindest unter
| Duldung der deutschen Besatzungsmacht, statt (vgl. dazu beispielsweise
| das Huta-Pieniacka-Massaker). Die Hauptverantwortung für den Terror lag
| bei der Bandera-OUN[1], doch trugen auch die Deutschen unmittelbar zur
| Konflikteskalation bei, indem sie sich z. B. bei der „Pazifikation" der
| Dörfer mitunter als polnische oder ukrainische Partisanen ausgaben.[45]
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Von den Ukrainern wird verlangt, was die Deutschen nach 1945 schafften,
wenn auch langsam: Sich politisch-moralisch zu distanzieren, sich auf
einen anderen Weg begeben. Es sieht aber nicht so aus, als ob die
gegenwärtige Ukraine das schafft. Gelingt das nicht, wird es auf Dauer
zu Auseinandersetzungen zwischen Polen und der Ukraine kommen. Deutlich
wird das an dieser Twitter-Kontroverse:
https://twitter.com/LukaszAdamskiPL/status/1679541159641636870
https://twitter.com/KyivIndependent/status/1679475461087272962
Die Kooperation des Westens einschließlich Polens mit bekennenden
Nachfahren der Verbündeten der Nazis, das muss eines Tages aufbrechen.
Rüstungslieferungen
https://twitter.com/GrafenWolfgang/status/1680710731631677446
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| Von Friedensverhandlungen keine Rede! - Deutscher Botschafter meint in
| UK wir (die EU) müssen nur genug Waffeln produzieren, mehr als Russland
| hat und dann KÖNNTE Russland aufgeben. Dass Russen den Rest der
| ukrainischen Soldaten wegballern KÖNNTE - davon ist auch keine Rede…
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https://twitter.com/i/status/1680710731631677446
Der Botschafter hat ja nicht Unrecht: Wenn der Krieg auf der Ebene der
Rüstungslieferungen entschieden wird, hat Russland keine Aussicht auf
einen Sieg. Die Ökonomien des Westens und ihre Industrien sind jener
Russlands um ein Vielfaches überlegen, sie sind momentan allerdings noch
nicht auf den Krieg eingestellt. Dazu braucht es noch einige Zeit.
Dann aber kommt irgendwann ein Kipp-Punkt, an dem Russland einen
strategischen Rückzug beginnen muss. Also muss der Westen den Krieg so
weit wie möglich in die Länge ziehen, dann kann er gewonnen werden.
„Sollte die Ukraine mit Russland verhandeln?
Die Debatte über die Beendigung des Krieges
Von Dmytro Natalukha; Alina Polyakova und Daniel Fried; Angela Stent; Samuel Charap
13. Juli 2023"
https://www.foreignaffairs.com/responses/should-america-push-ukraine-negotiate-russia-end-war
Eine faire Diskussion über dass, was die USA angesichts des
Ukraine-Kriegs anstreben sollten. Gibt es solche Diskussionen in
Deutschland? Solch einen Diskussionsstil?
Ein durchgedrehter Text:
https://taz.de/Roderich-Kiesewetter-ueber-Nato-Gipfel/!5943263/
Da will einer den Krieg in den Ostseeraum holen.
Für die Freunde des schwarzen Humors: Ein prognostisches Meisterstück
von Norbert Röttgen.
https://twitter.com/matze2001/status/1544612494416793600
https://twitter.com/i/status/1544612494416793600
-- https://friedenslage.blogspot.com/