Über die Russland-Politik, die Biden verfolgen sollte. Eine kleine Einleitung zu einem leicht wirren Text
https://www.foreignaffairs.com/articles/ukraine/2021-01-19/how-contain-putins-russia
Dieser Text erscheint auf der Webseiten von „Foreign Affaires“, der führende Zeitschrift für Außenpolitik in den USA. Der Autor Michael McFaul war Berater Barack Obamas für die Beziehungen der USA zu Russland, zeitweilig Botschafter der USA in Moskau und ist jetzt Professor für Internationale Politik an der Stanford-Universität. Aus der Ferne wird man annehmen dürfen, dass dieser Aufsatz auch von Joe Biden und seinen engeren Mitarbeitern gelesen wird.
Der Titel lässt nicht ganz erkennen, worum es geht: Russland eindämmen. Es geht am Schluss des Textes auch darum, es in seiner jetzigen Gestalt zu überwinden.
Im Text erscheint Putin geradezu als der ideologische Feind des Westens schlechthin. Er verfolgt ein politisches Konzept der Zerstörung des Westens und der vom Westen aufgebauten Weltordnung – bei uns ist dafür der Ausdruck „regelbasiert“ üblich –, um eine andere Ordnung an ihre Stelle zu setzen. Diese wird jedoch nicht näher beschrieben, Namen wie Orban und Le Pen werden stattdessen genannt, Kaczinski fehlt jedoch. So entsteht eine dichotomisches Bild: Die USA mit ihren Verbündeten auf der einen Seite, Putin auf der anderen Seite. Die gegenwärtige Weltlage erscheint so als Folge von Weltanschauungs- und Charakterfehlern einer einzelnen Person. (So einfach kann man sich die Welt machen.) Ob die USA auch nur zu einem geringen Teil für die gegenwärtige Lage verantwortlich sein könnten, wird nicht diskutiert – selbstverständlich sind sie es nicht.
Es fehlt ebenfalls jede sonst übliche Diskussion des Dreiecks USA <-> China - Russland. Weil die Vorwürfe, die der Autor gegen Putin erhebt, in der Klasse liegen, die man gegen die US-Freunde in Saudi-Arabien erheben kann, wäre auch die Lösung denkbar: „Lasst uns den Jungen umarmen, spätestens mit seinen Nachfolgern kommen wir besser klar.“
Jedenfalls muss Putins Russland eingedämmt werden, zuerst in den USA selbst, dann auf der ganzen Welt. Für die USA schlägt der Autor seltsamerweise solche Maßnahmen vor, mit denen sich Russland gegen Einmischungen in innere Angelegenheiten wird: Registrierungen russischer Aktivitäten als ausländischer Aktivitäten auf US-Boden. Gleichzeitig sollen den sozialen Medien Vorschriften im Umgang mit Texten aus russischen Quellen gemacht werden, Eingriffe in das Internet also.
Putin ist – aus der Sicht des Autors – gemeingefährlich. Er geht für seine Ziele jedes politische Risiko ein, er ist ein von seiner Ideologie Getriebener und gerade kein Politiker, mit dem man Verträge abschließen kann. Die Nato muss natürlich erheblich aufrüsten, solche Kleinigkeiten wie die Nato-Russland-Grundakte werden gar nicht erst erwähnt. Auf jeden Fall müssen mehr Kampftruppen in Europa stehen und der Nordatlantik muss für russische U-Boote unpassierbar gemacht werden. Eine Formulierung in diesem Abschnitt ist nicht wirklich eindeutig: Man kann sie als die Forderung lesen, die Ukraine als Nato-Mitglied gegen Russland aufzurüsten. Das ist aber nicht eindeutig, man lese das Original nach.
Nichts destoweniger sollen mit Putins Russland trotzdem Verträge abgeschlossen werden: Gefahren wie die Pandemie und der Klimanwandel machen das erforderlich. Vor allem aber sind neue Verhandlungen und Verträge über interkontinentale und nukleare Waffen erforderlich, denn dann bekämen die USA Einblick in die fortgeschrittenen russischen Entwicklungen. Die Frage ist dann aber: warum sollte der Charakterfehler Putin einen ihn benachteiligenden Vertrag mit den USA abschließen? Warum sollte der Teufel sinem Untergang zustimmen?
Und dann zeigt der Autor doch eine Vorsicht, die man gar nicht erwartet hätte: Keine Gefahren aus Missverständnissen! Die nach der Kuba-Krise zwischen der UdSSR und den USA entwickelte Krisenkommunikation soll wieder hergestellt werden. Dann besteht ja die Chance, dass zwischen der Nato und Russland im östlichen Ostseegebiet ein Kommunikationsmechanismus eingerichet wird.
Der Autor geht davon aus, dass Putins Machtposition in Russland auf unabsehbare Zeit gefestigt ist, andererseits ist für jeden Herrscher die Zeit eines Tages abgelaufen. Darauf müssen die USA sich vorbereiten, indem sie das „russische Volk“ für sich gewinnen. Er entwickelt ein umfassendes Konzept der Einflussnahme auf die russische Gesellschaft, insbesondere auf den akademisch gebildeten Teil.