Sonntag, 27. März 2022

Friedenslage am 27.03.2022 (16:13:27)

„Sergej Lawrow zum Ukraine-Krieg und vielem mehr – eine hoch spannende
und sehr erhellende Rede"
https://www.nachdenkseiten.de/?p=82217

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| Deshalb hatten wir, als die Ukraine mit dem Beschuss begann, was ein
| deutliches Zeichen für die Vorbereitung einer Militäroffensive im Donbas
| war, keine andere Wahl, als die russische Bevölkerung in der Ukraine zu
| schützen. Wir haben die Volksrepubliken Donezk und Lugansk
| anerkannt. Präsident Wladimir Putin reagierte auf deren Ersuchen und
| ordnete die Einleitung einer speziellen Militäroperation an.
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Schon interessant, diese Konstruktion von Zusammenhängen. Aber Kiew
angreifen, um Donezk zu verteidigen? Will auf Anhieb nicht einleuchten.



„Das Verteidigungsministerium Russlands nannte die Hauptaufgabe die
vollständige Befreiung des Donbass"
https://www.rbc.ru/politics/25/03/2022/623dbdcc9a79476daf5857fa

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| Russland erwog zwei Optionen für die Durchführung einer Sonderoperation:
| innerhalb der Grenzen der DVR und LPR oder in der gesamten Ukraine,
| berichtete der Generalstab. Die zweite Option wurde gewählt, um Kiew
| daran zu hindern, "seine militärische Gruppierung" zu füttern, erklärte
| das Militär.
|
| Die Möglichkeit, die in der Ukraine blockierten Städte zu stürmen, ist
| nicht ausgeschlossen, aber das Hauptziel des russischen Militärs ist die
| vollständige Befreiung des Donbass, sagte Sergei Rudskoy, Leiter der
| Operativen Hauptdirektion des Generalstabs der russischen Streitkräfte.
|
| Ihm zufolge hatte Russland ursprünglich nicht vor, diese Städte zu
| stürmen, um "Zerstörungen zu verhindern und Verluste unter Personal und
| Zivilisten zu minimieren".
|
| "Und obwohl wir eine solche Möglichkeit nicht ausschließen, da einzelne
| Gruppen ihre Aufgaben erfüllen und sie erfolgreich gelöst werden, werden
| sich unsere Kräfte und Mittel auf die Hauptsache konzentrieren - die
| vollständige Befreiung des Donbass", sagte Rudskoy.
`----

Nach diesem Text hat sich Russland dagegen entschieden, nach der
Anerkennung der „Volksrepubliken" seine Armee nur für den Schutz
dieser Gebiete einzusetzen, weil dies der Ukraine die Möglichkeit
gegeben hätte, die eigenen Truppen für weitere Angriffe um zu
gruppieren und den Beschuss fortzusetzen. Es gehe vielmehr darum, Kiew
grundsätzlich die Möglichkeit zu nehmen, diese Gebiete anzugreifen. Dazu
gehört die weitgehende Zerschlagung der ukrainischen Armee. Die
Großstädte Kiew wurden/werden dazu blockiert, um ukrainische Kräfte zu
binden, damit sie geringere Möglichkeiten zwischen Donbass und der Krim
haben. Die Landverbindung wurde hergestellt, Mariupol steht vor dem
Fall. Damit seien die Ziele der Entmilitarisierung der Ukraine und der
Entnazifizierung (mindestens zum Teil) erreicht.

(Diese Entscheidungen mögen sozusagen militärisch-fachlich richtig sein,
menschlich und politisch sind sie katastrophal. Natürlich hätte ein
fortgesetzter Stellungskrieg im Donbass menschliche Opfer - Tote,
Verletzte beider Seiten - gefordert, aber die jetzige Entscheidung
dürfte bislang sehr viel größere Opfer gefordert haben und auch weiter
fordern, würde sie in einen Stellungskrieg von der Krim bis Donezk
führen. Die politischen Folgen sind auch erheblich größer: Russland als
Paria der Weltpolitik, mit dem eine politische Lösung der Probleme gar
nicht mehr möglich ist.)

Sollte diese Ansage über die Absichten der russischen Armeeführung
stimmen, dann ist die russische Armee nicht an Kiew und Charkow
gescheitert, wie es in der westlichen Presse zu lesen ist. Die Eroberung
dieser Städte wäre nur ein Nebeneffekt gewesen, vielleicht noch nicht
einmal ein besonders gewünschter, weil sie ja weitere russische Kräfte
gebunden hätte, die im Osten besser gebraucht worden wären.

Dieses hier
http://infomullet.com/wp-content/uploads/2022/03/2022-3-16-Scenario1.png
auf http://infomullet.com/2022/03/16/midgame-five-scenarios/ könnte dann
das von Russland angestrebte Ergebnis sein.

Stimmt das? Oder wird da nur eine halbe Niederlage im Norden der Ukraine
schön geredet?

Für die Richtigkeit dieser Ansagen spricht, dass Russland diesen Krieg
mit einer sehr kleinen Truppe begonnen hat und auch weiterhin führt. Die
Truppenstärke der russischen Armee mit 150 - 200.000 Soldaten hätte nur
dann ausgereicht, wenn Russland erwartet hätte, dass die ukrainische
Verteidigung sofort nach Kriegsbeginn in sich zusammengefallen wäre. In
der westlichen Presse liest man, die Russen hätten erwartet, von der
Bevölkerung Charkows mit Blumen empfangen zu werden. Und dass große
Teile der ukrainischen Armee genauso zur russischen Armee überlaufen
würden, wie sie es 2014 auf der Krim gemacht haben. Russland habe sich
aber getäuscht.

Wenn man annimmt, dass russischen Geheimdienste in der Ukraine in jeder
Ecke präsent sind, keine Sprachbarriere, keine kulturellen Unterschiede,
und deshalb schlicht alles wissen können, muss man annehmen, dass die
Spitze der russischen Dienste vollständig verblödet ist, wenn sie
tatsächlich irreales Zeug nach oben gemeldet hat. Kann sein, hat aber
nicht viel für sich.


Michael Kofman, ein lesenswerter US-Autor interpretiert so:
https://twitter.com/KofmanMichael/status/1507385385432850437

,----Google Translate
| Ich hatte (früher) die Hypothese, dass die minimalsten Ziele, die Moskau
| zu diesem Zeitpunkt haben könnte, darin bestehen, zu versuchen, den
| gesamten Donbass einzunehmen, eine politische Lösung anzustreben, dann
| umzukehren und zu behaupten, darum ging es bei dieser Operation in dem
| Versuch, etwas zu retten & Sieg verkünden.
|
| Ich würde hinzufügen, wenn sie Mariupol einnehmen, können sie auch
| behaupten, eine „Entnazifizierung" erreicht zu haben, da dies die Basis
| von Asow ist – oft als Beweis für den Einfluss der Nazis angeführt
| usw. Zumindest kann man sich vorstellen, wie diese Geschichte zu einem
| Erfolg werden könnte Erzählung für das heimische Publikum.
|
| ... Dies setzt in gewissem Maße voraus, dass Putin die militärische
| Situation versteht, sie pessimistisch betrachtet und die Grenzen dessen
| einschätzt, was der Einsatz von Gewalt angesichts einer schlechten
| Militärleistung erreichen könnte. Überhaupt nicht klar, dass dies der
| Fall ist.
`----

Diese Rede lässt erwarten, dass Russland bald nach der Einnahme
Mariupols sagt, dass es seine militärischen Ziele erreicht hat, den
Krieg beendet und sich im Norden aus der Ukraine zurück zieht.

Aber wie soll es dann weiter gehen? Vielleicht gibt es einen
Waffenstillstand, weil die Ukraine am Ende ihrer Kräfte ist, vielleicht
meint Kiew, es könne eine Art Partisanenkrieg in den neu erorberten
Gebieten fortsetzen. Vielleicht gibt es nur wieder eine „Kontaktlinie",
an der sich die Armeen regelmäßig gegenseitig beschießen, die Menschen
wieder nicht in Frieden leben können und es deshalb keinen Wiederaufbau
geben wird. Die regionalen Spannungen verschwinden dann nicht von
allein.

Auch in den internationalen Beziehungen werden die Spannungen
anhalten. Es ist kaum anzunehmen, dass die deutsche Politik der
„Zeitenwende" rückgängig gemacht werden wird. Die wirtschaftlichen
Verbindungen einschließlich Gas und Erdöl werden auf absehbare Zeit
nicht wieder auf den vorherigen Stand zurück kehren. Und die Ukraine
wird sich noch enger an die Nato anschließen, sie muss nicht Mitglied
sein, um den Neuaufbau ihrer Armee vollständig Nato-kompatibel zu
gestalten.



Zusätzliche Quelle: „Rede des Leiters der operativen Hauptdirektion des
Generalstabs der Streitkräfte der Russischen Föderation Generaloberst
Sergei Rudskoy"
https://eng.mil.ru/en/special_operation/news/more.htm?id=12414735@egNews



Andere Interpretation
https://twitter.com/WarintheFuture/status/1507462797268901889



Eine Analyse aus Österreich zum Stand des Kriegs
https://twitter.com/Bundesheerbauer/status/1507367632001019911 Kurz
gesagt: Russland hat alle wesentlichen Großwaffensysteme der Ukraine
zerschlagen. Die Ukraine ist nicht mehr in der Lage, offensiv zu
handeln. Allerdings kann sie mit vielen kleinen Einheiten den russischen
Truppen empfindliche Schläge versetzen. (= Im Prinzip ist der Krieg
militärisch entschieden, er kann dennoch weiterhin sehr lange andauern,
mit ständig schlimmer werdender Zerstörung.) Weiterer Text aus
Österreich:
https://www.diepresse.com/6116783/militaerexperte-ukrainischen-truppen-gehen-die-schweren-waffen-aus



Eine Verrücktheit aus Polen: „Polnischer General: Warschau hat das
Recht, Kaliningrad zu beanspruchen"
https://www.novinite.com/articles/214459/Polish+General%3A+Warsaw+has+the+Right+to+Claim+Kaliningrad

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| Der ehemalige Kommandeur der polnischen Bodentruppen, Waldemar
| Skrzypczak, sagte, die Region Kaliningrad sei "seit 1945 unter
| russischer Besatzung".
|
| Ihm zufolge war dieses Gebiet nie russisch, sondern gehörte historisch
| zu Preußen und Polen.
|
| "Jetzt lohnt es sich, sich daran zu erinnern. Es lohnt sich, sich an das
| Kaliningrader Gebiet zu erinnern, das meiner Meinung nach Teil des
| polnischen Territoriums ist ... Wir haben das Recht, dieses Gebiet zu
| beanspruchen, das von Russland besetzt ist", sagte Skrzypczak in der
| polnischen Fernsehsendung "Super Express".
|
| Gleichzeitig ist er der Meinung, dass das Kaliningrader Gebiet "keine
| militärische Bedeutung hat".
`----
Er phantasierte auch schon mal von einem Krieg gegen Belarus,
https://friedenslage.blogspot.com/2021/11/friedenslage-am-30112021-155830.html




Der russisch-ukrainische Krieg und der zukünftige Agrarmarkt
https://www.heise.de/tp/features/Der-Ukraine-Krieg-als-Menetekel-6594057.html?seite=all
Preissteigerungen bei uns, aber Hunger in der arabischen Welt. Das führt
erfahrungsgemäß zu politischen Unruhen. Die Brotpreise sind dort eine
hochpolitische Sache.



Wie der Krieg in die Medien kommt:
https://www.heise.de/tp/features/Wie-deutsche-Medien-die-Bundesregierung-am-Hindukusch-verteidigten-6565832.html?seite=all



Unsinn aus der DGAP
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/russland-kooperative-sicherheitsordnung-krieg-ukraine-deutschland
Die Analyse ist falsch, der Vorschlag ist Unsinn.



Geldverschwendung bei der Bundeswehr
https://twitter.com/NDRrecherche/status/1506299991630958609
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/250-Millionen-zu-viel-Ueberteuerte-Tanker-fuer-die-Bundeswehr,bundeswehr2526.html

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| Im vergangenen Sommer konnte Lürssen einen neuen Erfolg vermelden. Das
| Unternehmen hatte den Zuschlag für den Bau von zwei Tankern, sogenannten
| Betriebsstofftransportern, erhalten. Doch Recherchen von NDR, WDR und SZ
| werfen Fragen zu dem Deal auf. Ursprünglich hatte die Bundeswehr für die
| beiden Schiffe Kosten in Höhe von 570 Millionen Euro
| veranschlagt. Mittlerweile plant der Bund mit Kosten in Höhe von 915
| Millionen Euro. Gerade vor der aktuellen Debatte um eine massive
| Ausweitung des Wehretats stellt sich die Frage, wie es zu dieser enormen
| Kostenexplosion kommen konnte.
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https://friedenslage.blogspot.com/