Erklärung des Europäischen Rates:
https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/01/24/european-security-situation-notions-of-spheres-of-influence-have-no-place-in-the-21st-century/
Rat der EU Pressemitteilung 24. Januar 2022 12:07
,----Edge Translate
| Europäische Sicherheitslage: Vorstellungen von "Einflusssphären" haben
| im 21. Jahrhundert keinen Platz Der Rat hat Schlussfolgerungen zur
| europäischen Sicherheitslage gebilligt, in denen er feststellt, dass die
| europäische Sicherheit unteilbar ist und dass jede Herausforderung der
| europäischen Sicherheitsordnung die Sicherheit der EU und ihrer
| Mitgliedstaaten beeinträchtigt.
|
| In seinen Schlussfolgerungen verurteilt der Rat die anhaltenden
| aggressiven Aktionen und Drohungen Russlands gegen die Ukraine und
| fordert Russland auf, zu deeskalieren, sich an das Völkerrecht zu halten
| und sich über die etablierten internationalen Mechanismen konstruktiv am
| Dialog zu beteiligen. Wie die Staats- und Regierungschefs der EU auf der
| Tagung des Europäischen Rates im Dezember 2021 erklärten, wird jede
| weitere militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine massive
| Folgen und schwere Kosten haben.
|
| Die EU bekräftigt ihre unerschütterliche Unterstützung für die
| Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine
| und anderer östlicher Nachbarschaftspartner innerhalb ihrer
| international anerkannten Grenzen und fordert Russland auf, sich wieder
| konstruktiv an den bestehenden internationalen Rahmen für die
| nachhaltige und friedliche Beilegung von Konflikten zu beteiligen.
|
| Der Rat bekräftigt den einheitlichen Ansatz der EU und die nach wie vor
| enge Zusammenarbeit und Koordinierung mit den Vereinigten Staaten, der
| NATO, der Ukraine und anderen Partnerländern. Er weist erneut darauf
| hin, wie wichtig es ist, die Widerstandsfähigkeit und die
| Reaktionsfähigkeit der EU und ihrer engen Partner weiter zu stärken,
| unter anderem bei der Bekämpfung von Cyber- und Hybridangriffen, der
| Manipulation ausländischer Informationen und der Einmischung,
| einschließlich Desinformation.
`----
Interessant sind diese Formulierungen: „jede weitere militärische
Aggression Russlands gegen die Ukraine (wird) massive Folgen und schwere
Kosten haben", und die EU unterstütze die „territoriale Unversehrtheit
der Ukraine ... innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen"
Nun gehören die Krim und das Donbas sicher zu jener territorialen
Integrität der Ukraine, die der Rat meint. Dann wäre das so zu lesen,
dass Russland der gegenwärtige Status der Krim und des Donbas irgendwie
akzeptiert ist, jedenfalls kurzfristig und zeitweilig in militärischer
Hinsicht. Und dass ein weiterer russischer Angriff an irgendeiner
anderen Stelle Sanktionen hervorrufen würde.
Was aber geschieht, wenn sich aus der noch immer ungeklärten Lage am
Donbas ein militärischer Konflikt entwickelt? Kiew will Minsk2 nicht
weiter umsetzen. Es will weder mit Vertretern der Region sprechen noch
eine Verfassungsänderung einleiten, die einen Sonderstatus innerhalb der
Ukraine zum Ziel hat. Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder soll
1. der ungeklärte Status auf absehbare Zeit aufrecht erhalten werden
oder 2. Kiew denkt an eine militärische Lösung: (Rück-)Eroberung.
Die erste Lösung hätte den Vorteil, dass der Konflikt in Gang gehalten
wird, nicht zur Ruhe kommt. Das würde Kiew einen kontinuierlichen Fluss
an Unterstützungen in finanzieller, ökonomischer und militärischer
Hinsicht bringen, Osteuropa weiter in Aufregung halten, und den Einfluss
der USA in der Nato und der EU über die osteuropäischen Länder
stärken. Gleichzeitig würde es das ökonomisch nicht sonderlich starke
Russland schwächen. Diese „Lösung" hätte allerdings für Kiew den
Nachteil, dass die Bevölkerungen der Krim und des Donbas sich weiter von
der Ukraine entfernen, früher oder später nichts mehr mit ihr zu tun
haben wollen. Der Donbas wird dann faktisch-praktisch Teil Russlands
werden, mit täglicher Zustimmung der Bevölkerung.
Die zweite Lösung kann von der EU-Ratserklärung her so verstanden
werden, dass Kiew implizit die Erlaubnis bekommen hat, den Donbas anzugreifen,
denn die angekündigte Unterstützung dieser Republiken durch Russland
im Falle eines Angriffs durch die ukrainische Armee wäre dann genau jene
russische Handlung, die die Sanktionen auslösen würde. (Da nach den
russischen Ansagen keine russischen Truppen im Donbas stationiert sind,
hätte Russland sich selbst hier eine Falle gestellt: Es müsste ja neue
Truppen mit russischen Hoheitsabzeichen schicken. Und damit wäre
Russland in eine Falle gestolpert, die es sich selbst gestellt hat.)
Nachteil dieser „Lösung" wäre: Gefahr eines Weltkrieges. Man scheint
sich in der EU über diese Gefahr nicht ganz im Klaren zu sein, sonst
hätte man eine vorsichtigere Formulierung gewählt. Oder manche
EU-Mitgliedsstaaten wollen genau dieses Risiko: Chicken game.
Wie auch immer: Momentan geht es von westlicher Seite darum, Minsk2, an
das Kiew sich nicht halten will, zu delegitimieren.
Dazu gibt es eine schon unendliche Menge an Überlegungen, die beste
Argumentationsfigur zu finden. Ein polnischer Autor hat Texte dazu
zusammen gestellt:
https://twitter.com/dszeligowski/status/1491867916706488324
https://cepa.org/dont-let-russia-fool-you-about-the-minsk-agreements/
https://www.politico.com/news/magazine/2022/02/02/putins-gambit-donbas-ukraine-west-doesnt-understand-00004616
https://www.opendemocracy.net/en/odr/russia-ukraine-what-are-the-minsk-agreements/
https://www.chathamhouse.org/2020/05/minsk-conundrum-western-policy-and-russias-war-eastern-ukraine-0/minsk-2-agreement
https://www.economist.com/leaders/2022/02/12/diplomacy-has-created-an-opening-for-detente-in-ukraine-but-beware-a-trap
https://www.geostrategy.org.uk/britains-world/the-minsk-accords-should-britain-declare-them-dead/
Zwei Argumentationen scheinen zentral:
( 1) Die in Minsk2 vorgesehene Verfassungsreform mit dem Ziel eines
Sonderstatus der „Volksrepubliken" würde Russland einen solchen Einfluss
auf die Innen- und Außenpolitik der Ukraine verschaffen, dass irgendeine
Art von Anschluss der Ukraine an die Nato ausgeschlossen wäre, und
( 2) würde solch eine Verfassungsreform womöglich die Ukraine wieder
destabilisieren, weil die Nationalisten gegen die Regierung mobil machen
würden.
Aktuelle Ansage aus Kiew
https://twitter.com/EuromaidanPress/status/1491675822796775435
,----
| Die Ukraine wird die Minsker Vereinbarungen nicht zu den von der
| Russischen Föderation festgelegten Bedingungen umsetzen, sagte der
| Außenminister von #Ukraine Dmytro Kuleba in einem Briefing.
|
| Es wird keinen direkten Dialog mit den besetzten Gebieten des Donbass
| geben; das ist die prinzipielle Position der Ukraine.
`----
„Stellungnahme | Wie man die Ukraine-Krise in 4 Schritten beendet
Zwei ehemalige Top-Politiker - ein Russe, ein Amerikaner - haben einen
Plan, von dem sie glauben, dass er funktionieren könnte."
https://www.politico.com/news/magazine/2022/02/09/a-four-step-off-ramp-for-resolving-the-ukraine-crisis-00006769
Man kann Auswege finden. Wenn man will.
,----
| Wir sehen vier Elemente für eine Lösung. Erstens, Beschränkungen für
| militärische Operationen entlang der Grenze zwischen der NATO und
| Russland. Zweitens, ein Moratorium für die NATO-Erweiterung nach
| Osten. Drittens, die Lösung der anhaltenden und eingefrorenen Konflikte
| im ehemaligen sowjetischen Raum und auf dem Balkan. Und viertens die
| Modernisierung der Helsinki-Abkommen von 1975, die ein
| gesamteuropäisches Forum schufen und vereinbarte Prinzipien der
| zwischenstaatlichen Beziehungen formulierten, um die
| Ost-West-Entspannung zu untermauern.
`----
--
https://friedenslage.blogspot.com/