Freitag, 25. Oktober 2024

Friedenslage am 25.10.2024 (16:29:45)

„Erklärung anlässlich der Einbestellung des Deutschen Botschafters in das
Außenministerium der Russischen Föderation 22.10.2024 - Pressemitteilung"
https://germania.diplo.de/ru-de/-/2681054

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| Die Umwandlung des deutschen maritimen Führungsstabs in Rostock in die
| „Commander Task Force Baltic" steht im Einklang mit dem 2+4-Vertrag. Der
| Führungsstab wird künftig einen Beitrag zu den NATO Readiness Forces leisten
| und, wie bisher auch, sowohl aus deutschen Soldatinnen und Soldaten als auch aus
| ausländischen Austausch- und Verbindungsoffizieren bestehen.
|
| Die Zuordnung von deutschen Streitkräfteverbänden unter die Strukturen der NATO
| ist gemäß des 2+4-Vertrags auch im Gebiet der damaligen DDR und Berlins
| ausdrücklich zulässig (Artikel 5 Absatz 3 Satz 1). Die Umwandlung des
| Führungsstabs in Rostock ist eindeutig unterhalb der Schwelle des Artikel 5
| Absatz 3 Satz 3 des 2+4-Vertrags, der die Stationierung oder Verlegung
| ausländischer Streitkräfte im Gebiet der damaligen DDR und Berlins
| untersagt. Die Einzelabstellung von Personal anderer NATO-Mitgliedstaaten im
| Rahmen der hier in Rede stehenden internationalen Zusammenarbeit, bei der
| ausländische Austausch- und Verbindungsoffiziere in eine deutsche Dienststelle
| integriert werden und daher unter der Führung der Bundeswehr stehen, sind vom
| 2+4-Vertrags nicht erfasst.
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Dieser Text des Auswärtigen Amtes markiert die Argumentationslinie:

( 1) Deutsche Truppenverbände auf dem Gebiet der Ex-DDR dürfen Teil der Nato,
der Integration der Bundeswehr in die Nato sein. (Stimmt)

( 2) Das neue Kommando ist Teil einer solchen deutschen Nato-Struktur. (Stimmt
auch.)

( 3) Die ausländischen Offiziere sind Austausch-Offiziere (also Leute, die die
Bundeswehr kennen lernen sollen) oder Verbindungsoffiziere (also sowas wie
mitarbeitende Postboten). Es handelt sich also um eine deutsche Einheit mit ein
paar zeitweilig eingegliederten Ausländern. (Genau hier sitzt das Problem.)

Diese Argumentation könnte nur überzeugen, wenn die ausländischen Nato-Offiziere
im Prinzip entbehrlich wären, weshalb sie nur ab und zu zum Klönschnack
vorbeikommen. Zu den Aufgaben des Kommandos schreibt die Bundeswehr:
https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/aktuelles/commander-task-force-baltic-aufgestellt-5848288

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| CTF Commander Task Force Baltic hat zwei Hauptaufgaben: maritime Übungsvorhaben
| und Operationen zu planen sowie von der NATONorth Atlantic Treaty Organization
| zugeteilte Seestreitkräfte in Frieden, Krise und Krieg zu führen. Der Stab ist
| kein NATONorth Atlantic Treaty Organization-Stab, sondern ein nationales
| Hauptquartier mit multinationaler Beteiligung. Er wird zunächst durch einen
| deutschen Admiral geführt. Die Position seines Stellvertreters ist zunächst mit
| einem polnischen Admiral besetzt, die des Chefs des Stabes mit einem
| schwedischen Stabsoffizier. Spätestens nach vier Jahren ist eine Rotation
| beabsichtigt. Den Kern des Personals stellt der nationale Führungsstab DEU
| MARFORGerman Maritime Forces, der schon seit 2019 im Marinekommando in Rostock
| besteht.
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Die Aufgabe des CTF ist multinational: Planung und Leitung des Einsatzes von
Einheiten aus vielen Nationen. Auch die Leitung ist multinational, deutsche,
schwedische und polnische Admirale und Offiziere wechseln sich in der Leitung
ab. Beides spricht nicht für die grundsätzliche Entbehrlichkeit nicht-deutscher
Soldaten in diesem Kommando. Eine schwedische Mitteilung:

„Neues Kommando soll die NATO-Seestreitkräfte in der Ostsee führen"
https://www.forsvarsmakten.se/en/news/2024/10/new-command-to-lead-natos-naval-forces-in-the-baltic-sea/

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| Am 1. Oktober wurde die CTF Baltic gegründet, ein Kommandostab mit dem Ziel, die
| Marineeinheiten der NATO zu führen, die im Ostseeraum von der Nordsee in die
| Ostsee und bis zum Bottnischen Meerbusen operieren. Das Stabshauptquartier
| befindet sich in der deutschen Hafenstadt Rostock und ist mit Personal der
| NATO-Verbündeten besetzt. Schweden stellt neun Offiziere.
|
| Die maritimen Operationen der NATO werden vom Hauptquartier des Allied Maritime
| Command (MARCOM) im Vereinigten Königreich aus geleitet. Aufgrund einer sich
| zunehmend verschlechternden Sicherheitslage und des NATO-Beitritts Schwedens und
| Finnlands ist ein Bedarf an einer klareren Koordinierung der Seestreitkräfte in
| der Ostsee und den umliegenden Gewässern entstanden. Der neue Führungsstab trägt
| den Namen CTF Baltic und wird seinen Sitz in Rostock haben. …
|
| Der Stab in Rostock besteht aus Angehörigen der verbündeten Staaten rund um die
| Ostsee, neun schwedische Offiziere sind seit Anfang Oktober vor Ort. Das
| schwedische Personal wird als NATO-Offiziere dienen und über MARCOM
| operieren. Die schwedischen Beamten werden zwei Jahre lang im Amt sein, bevor
| sie mit neuem Personal rotieren. Im Laufe der Zeit wird der schwedische Beitrag
| voraussichtlich auf etwa zwanzig Personen anwachsen.
|
| – Die schwedische Marine ist bereits so gut ausgebildet und in die NATO
| integriert, dass wir sofort mit qualifizierter Expertise beitragen können. Wir
| kennen dieses Gebiet und wissen, wie man hier am besten operiert, daher ist es
| selbstverständlich, dass wir Personal in führende Positionen innerhalb des
| maritimen Stabs der NATO entsenden, sagt Gardesten.
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Es handelt sich bei den schwedischen Offizieren, die in Rostock zeitweilig
stationiert werden, mithin nicht um Offizierstaustauschlehrlinge und auch nicht
um mitwirkende Postboten.


Der 2+4-Vertrag verbietet die Stationierung ausländischer Streitkräfte auf dem
Gebiet der Ex-DDR:

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| Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil
| Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt.
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Ist diese wohl notwendige Ansammlung ausländischer Offiziere in Rostock schon
„ausländische Streitkraft" oder wäre sie das erst, wenn sie Teil einer eigenen
Truppeneinheit mit eigener Kampfbedeutung wäre? Handelt es sich um eine normale
Integration ausländischer Militärangehöriger in die Bundeswehr, wie sie in
Westdeutschland seit jeher üblich ist und deshalb auch auf dem Gebiet der Ex-DDR
erlaubt ist?

Schwierige Fragen, deren sorgfältige Beantwortung wohl sowohl genaue Kenntnis
der Bräuche in der Nato als auch des Umgangs mit völkerrechtlichen Regeln
erfordert. Vor allem bräuchte es einen Richter, der diese Fragen entscheiden
könnte. Richter und Gerichte sind im Völkerrecht selten, wenn es sie gibt, haben
sie oft keine Macht, ihren Spruch durchzusetzen. - Aber in diesem Fall gibt es
einen Richter: Es ist die Bundesregierung.

https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/zwei-plus-vier-vertrag/44123/vereinbarte-protokollnotiz-zu-dem-vertrag-ueber-die-abschliessende-regelung-in-bezug-auf-deutschland-vom-12-september-1990/
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| Alle Fragen in bezug auf die Anwendung des Wortes "verlegt", wie es im letzten
| Satz von Artikel 5 Abs. 3 gebraucht wird, werden von der Regierung des vereinten
| Deutschland in einer vernünftigen und verantwortungsbewußten Weise entschieden,
| wobei sie die Sicherheitsinteressen jeder Vertragspartei, wie dies in der
| Präambel niedergelegt ist, berücksichtigen wird.
`----

Eine der Parteien dieser Unklarheit ist also zugleich Richter über die
Unklarheit. Aber es gibt keinen Text, in dem sich die Bundesregierung auf diese
Protokollnotiz beruft. Sie hat also nicht als Richter in dieser Sache gehandelt.

Der Grund dürfte sein, dass die Bundesregierung erklären müsste, dass sie in
einer Weise entschieden hat, die die Sicherheitsinteressen aller
Vertragsparteien angemessen berücksicht. Die Bundesregierung müsste also
darlegen können, dass sie in „vernünftiger und veranswortungsbewusster Weise"
die Sicherheitsinteressen Russlands berücksichtigt hat. Weil sie selbst diese
(aktuellen!) Sicherheitsinteressen Russlands kaum selbst bestimmen kann, müsste
sie also in Gespräche mit Russland eintreten. Genaus das will sie aber nicht,
kann sie auch nicht, weil dieses Rostocker Zentrum gegen Russland gerichtet ist.

Damit ist der Prozess, der zu diesem Zentrum geführt hat, nicht vertragskonform,
und ein nicht-vertragskonformer Prozess kann kaum zu einem vertragskonformen
Ergebnis führen.

Texte zu Rostock:
https://www.imi-online.de/2024/10/24/rostock-und-der-zwei-plus-vier-vertrag/ https://www.imi-online.de/2024/10/24/rostock-und-der-zwei-plus-vier-vertrag/
https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/neues-hauptquartier-in-rostock-ein-kluger-schachzug/

Die dümmsten Bemerkungen stammen übrigens von einem bekannten Kieler „Experten":
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/nordmagazin/Maritimes-Hauptquartier-Rostock-Ist-Russlands-Kritik-legitim,nordmagazin123116.html




„Das Christentum verwarf prinzipiell Krieg und Blutvergießen"
https://overton-magazin.de/top-story/das-christentum-verwarf-prinzipiell-krieg-und-blutvergiessen-ueber-den-pazifismus-der-alten-kirche/

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| Der nachfolgende Essay, gekürzt um Anmerkungen und Quellennachweise, ist
| entnommen einer aktuellen Neuedition der vor dem Ersten Weltkrieg erschienenen
| Pionierstudie „Militia Christi" Adolf von Harnacks über „Christliche Religion
| und Soldatenstand in den ersten drei Jahrhunderten". Der Theologe Franz Segbers,
| emeritierter Professor für Sozialethik, erhellt darin den Gegenwartsbezug einer
| Erinnerung an den Pazifismus der Alten Kirche.
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Dazu:
https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/media/pdf/HARNACK_digital_2024%2010%2007.pdf


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https://friedenslage.blogspot.com/