Montag, 11. November 2024

Friedenslage am 11.11.2024 (17:11:41)

Ein Interview in der NZZ mit jemanden von denen, die man Experten nennt,
https://www.columbia.edu/~saw2156/ :
https://unrollnow.com/status/1855639377520509014

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| @NZZ Trump wird versuchen, einen Frieden oder Waffenstillstand zwischen der
| Ukraine und Russland auszuhandeln. Verhandlungen sind kein Tabu mehr. Das heißt
| aber nicht, dass er Erfolg haben wird, denn das Problem an sich ist wirklich
| schwierig.
|
| @NZZ ich bezweifle, dass er die Hilfe für die Ukraine einstellen wird, um ein
| Ende des Konflikts zu erzwingen. Trump weiß, dass er ein politisches Problem
| hätte, wenn ein US-Partner auf spektakuläre Weise zusammenbricht. Er wird ein
| Ergebnis wie in Afghanistan in der Ukraine verhindern wollen.
|
| @NZZ Deshalb wird er wohl ein Abkommen anstreben, das unter anderem die
| aktuellen Kampflinien einfriert und die Ukraine daran hindert, der NATO
| beizutreten.
|
| @NZZ wünschte, ich könnte sagen, dass es eine bessere Alternative gibt. Es ist
| ein lobenswertes Ziel, einen totalen Sieg der Ukraine zu wollen. Aber wie genau
| erreichen Sie das? Wir haben keine Antwort. Die einzige klare Option wäre, dass
| die NATO direkt in den Krieg gegen Russland eintritt. Niemand in der NATO will
| das.
|
| @NZZ Europäer mögen geglaubt haben, dass die Vereinigten Staaten sich zutiefst
| für die Verteidigung des gesamten NATO-Territoriums einsetzen, aber um ehrlich
| zu sein, war vieles davon eine Illusion. Russland ist eine Bedrohung für seine
| Nachbarn, aber es ist keine Bedrohung nach sowjetischem Vorbild, die den
| gesamten Kontinent überrennen könnte.
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Interessant ist, dass der Text in der NZZ erscheint. Bislang war die NZZ scharf
gegen jede Friedensbemühung Richtung Russland eingestellt, und nun sagt da
jemand, dass die bisherige Position - Verhandlung erst, wenn Russland alles
geräumt hat - Illusion war und bleibt. Allerdings sind die neuen Positionen noch
nicht bestimmt, weder für den Beginn von Verhandlungen noch für ihr mögliches
Ergebnis.

Es könnte sein, dass in der nächsten Zeit in der Öffentlichkeit immer mehr
Stimmen zu hören sein werden, die auf diese Linie einschwenken werden:
Waffenstillstand an den gegenwärtigen Linien, keine Mitgliedschaft der Ukraine
in der Nato in absehbarer Zeit.

Das kann ein Anfang sein. Aber da werden noch viele andere Überlegungen
angestellt werden müssen: Wie kann in den nächsten Jahren eine Zusammenarbeit
von Ukraine und Nato aussehen? Darf es sie überhaupt geben? Wird die vor 2022
begonnene Nato-isierung der ukrainischen Armee in der Weise fortgesetzt werden
können, dass auf diese Weise eben doch eine faktische Nato-Mitgliedschaft
entsteht? Wer soll den Waffenstillstand garantieren? Fremde Truppen auf
ukrainisches Gebiet? Wie groß darf die ukrainische Armee sein? Sind
entmilitarisierte Zonen auf der russischen Seite erforderlich?

Es kommen politisch-kulturelle Fragen hinzu: Wie soll es mit den kulturellen
Rechten der Russen in der (Rest-)Ukraine aussehen? Wie sieht es mit den Rechten
der Ukrainer aus, die in den neu-russischen Gebieten leben?

Wie sieht die Zukunft des Banderismus in der (Rest-)Ukraine aus? Partei- und
Organisationsverbote? Säuberung des Staatsapparats?

Wer zahlt den Wiederaufbau? Wie sieht es mit dem beschlagnahmten russischen
Vermögen aus?

Tausend Fragen und sicher noch viel mehr. Eine schnelle Einstellung der Kämpfe
setzt voraus, dass die Partner sich so weit vertrauen, dass sie ungeklärte
Fragen noch klären werden.

Es wären jetzt großzügige Gesten des Vertrauens von beiden Seiten erforderlich,
die eine ernsthafte Bereitschaft zu grundlegenden Zugeständnissen erkennen
lassen. Auf und von beiden Seiten.

Alles kann in jedem Moment scheitern, zum Scheitern gebracht werden.




„Mehr als nur Abschreckung: Mittelstreckenwaffen und Multi-Domain-Operationen in Europa
8. November 2024 Frank Kuhn"
https://blog.prif.org/2024/11/08/mehr-als-nur-abschreckung-mittelstreckenwaffen-und-multi-domain-operationen-in-europa/

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| Umfangreiche Aktivitäten in Friedens- und Krisenzeiten
| Um ein fait accompli-Szenario zu verhindern, setzen Multi-Domain-Operationen auf
| Geschwindigkeit. Die US-Armee plant, unverzüglich nach Ausbruch eines
| militärischen Konflikts in gegnerische Anti-Access-/Area-Denial-Systeme
| (integrierte Luftverteidigungssysteme sowie Abschussrampen für ballistische
| Raketen und Marschflugkörper) einzudringen (penetrate), diese zu zerschlagen
| (disintegrate) und die gewonnene Bewegungsfreiheit auszunutzen (exploit). Im
| Falle einer russischen Aggression gegen das Baltikum würde die US-Armee damit
| höchstwahrscheinlich schon beginnen, noch bevor der NATO-Bündnisfall überhaupt
| festgestellt werden könnte. Speziell dafür wurden die Multi-Domain Task Forces
| konzipiert. …
|
| Sollten Bemühungen zur Deeskalation einer Krise scheitern und es schlussendlich
| zum Ausbruch eines militärischen Konflikts kommen, können die Multi-Domain Task
| Forces durch Verwendung bereits gesammelter Aufklärungsdaten umgehend mit der
| Bekämpfung gegnerischer Luftverteidigungssysteme und Raketenstellungen
| beginnen. … Aus diesem Grund müssen die US-amerikanischen Mittelstreckenwaffen,
| die ab 2026 in Deutschland stationiert werden sollen, im militärischen
| Gesamtkontext betrachtet werden.
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Ein Verständnisversuch in einfacheren Worten: Momentan kann von Kaliningrad aus
ein großer Teil der Ostsee für Nato blockiert werden, Nato-Kriegsschiffe werden
versenkt, bevor sie auch nur ihren Hafen verlassen haben, andere Kriegsschiffe
können sich nicht bewegen, weil sie nicht von der südlichen Ostsee an
Kaliningrad vorbei in die nördliche Ostsee fahren können. Von Schweden aus
können Nato-Truppen im Baltikum nicht versorgt werden. Das nördliche Polen fällt
als Sammelgebiet aus, russische Truppen in Belarus haben Bewegungsfreiheit.

Um diesem Nachteil zuvorzukommen, ist es nötig, die Waffensysteme in Kaliningrad
vorbeugend zu zerstören. Denn dann hätte die Nato in der ganzen Ostsee
Bewegungsfreiheit, die russische Marine wäre vor St. Petersburg eingeklemmt und
die Nato-Landstreitkräfte könnten vom Baltikum aus Richtung Osten operieren.

Dazu: https://x.com/HoansSolo/status/1855190424060666042

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| In seinen hervorragenden Ausführungen plädierte Generalleutnant Jürgen-Joachim
| von Sandrart, NATO-Kommandeur des Multinationalen Korps Nordost, für einen
| dynamischen, manövrierorientierten Ansatz zur Verteidigung des Baltikums im
| Kriegsfall. Er betonte auch, dass die NATO im Gefechtsraum nicht über
| strategische Tiefe verfügt, es sei denn, die NATO-Streitkräfte bewegen sich
| auf russischem Territorium.
`----

Damit Nato-Truppen nach Minsk vorrücken können oder nach St. Petersburg, darf es
in ihrem Rücken nie Kaliningrad gegeben haben, jedenfalls nicht im Moment der
Bewegungen. Der Rücken muss vollständig frei sein. Kaliningrad muss vorher
zerstört sein.

Das macht es schwierig, strategisch über den Zeitpunkt des Beginns eines solchen
Kriegs nachzudenken. Der Krieg muss begonnen werden, bevor er begonnen hat. Wenn
beide Seiten das Scheitern von Verhandlungen feststellen, ist es zu spät,
Kaliningrad zu zerstören. Denn dann könnte es ja den Aufmarsch von Nato-Truppen
zu Lande, zur See und in der Luft stören und manche Teile von See und Land
unpassierbar machen.

Letztlich ist das nichts Neues: Kriegserklärungen sind bei den Kriegen der
letzten Jahrzehnte, in denen erst eine angreifende Luftwaffe die feindliche
Luftwaffe am Boden zerstört, danach die feindlichen Panzer und Kanonen, eher
hinderlich, weil sie den Feind auf die Gefahr aufmerksam machen. In kurzer Zeit
muss all durch einen überraschenden, in dem Moment nicht erwarteten Überfall
jenes feindliche Potential gezielt zerschlagen werden, das die eigene
Bewegungsfreiheit einschränken könnte.

Was für die neuen Mittelstreckenwaffen bedeutet: Sie sind Waffen für den
Angriffskrieg.




„Vorschlag von Habeck: Noch ein Sondervermögen für die Bundeswehr?"
https://augengeradeaus.net/2024/11/vorschlag-von-habeck-noch-ein-sondervermoegen-fuer-die-bundeswehr/

„Ukraine-Krieg: Die Gefahr einer nuklearen Katastrophe"
https://www.nachdenkseiten.de/?p=124420

Erstes Telefonat nach der US-Wahl
Scholz und Trump wollen Frieden nach Europa bringen
https://www.rnd.de/politik/scholz-und-trump-fuehren-erstes-telefonat-nach-us-wahl-beide-wollen-frieden-nach-europa-bringen-6CI2KLLTHRKYXH5NMSDBTTDUFI.html




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