Samstag, 27. Juli 2024

Friedenslage am 27.07.2024 (21:02:37)

Manche haben die Vorstellung, eine mögliche Trump-Regierung würde schnell einen
Frieden mit Russland schließen wollen, um freiere Hand gegenüber China zu
haben. Die Äußerungen des potentiellen Vizepräsidenten Vance werden so
gedeutet. Es gibt nun aber keinen schon erkennbaren Fahrplan, sondern diverse
Vorschläge aus den verschiedenen Etagen und Ecken des außenpolitischen
Establishments der USA. Manche ringen sicher auch um Einfluss und Ämter. Der
hier gestern angezeigte Vorschlag, Russland schnell in die Steinzeit
zurückzubomben, ist sicher besonders verrückt, aber heute wurde er auf Twitter
als der vermutliche Plan einer Trump-Regierung bezeichnet. Immerhin erschien er
in der ForeignOffice. Dieser Vorschlag

„Beendigung des Krieges in der Ukraine: Ein möglicher Fahrplan für den Frieden -
von Zalmay Khalilzad"
https://nationalinterest.org/feature/ending-war-ukraine-potential-roadmap-peace-211993

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| Zalmay Khalilzad war von 2007 bis 2009 der sechsundzwanzigste US-Botschafter bei
| den Vereinten Nationen und leitete von 1991 bis 1992 das Büro für politische
| Planung im Verteidigungsministerium.
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stammt aus einem eher konservativen Diskussionsplattform:

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| Russland wird mit einem entscheidenden zusätzlichen Risiko konfrontiert sein,
| wenn Trump gewählt wird. Wenn Putin nicht positiv auf die Friedensinitiative des
| neu gewählten amerikanischen Präsidenten reagiert, untergräbt er die Aussichten
| auf eine Verbesserung der Beziehungen. Es könnte auch andere unvorhergesehene
| Folgen haben, wie z. B. die Aufhebung aller Beschränkungen für den Einsatz
| amerikanischer Waffen durch die Ukraine und die Bekämpfung russischer Interessen
| in anderen Regionen, einschließlich Nordkorea und Iran. ...

Hier liegt der Kern dieses Vorschlags: Russland sei letztlich an guten
Beziehungen zu den USA interessiert und werde deshalb letztlich den
amerikanischen Wünschen folgen.

Seltsam. Wären „gute Beziehungen" zu den USA, wie der Autor letztlich eine
erhoffte Folgsamkeit Russlands gegenüber den USA ein zentrales Motiv der
russischen Außenpolitik, wäre der Krieg wohl ausgefallen. Der Krieg zeigt
vielmehr, dass Russland seine Beziehungen gegenüber den USA nach seinen
Vorstellungen gestalten will.

Die russischen Diskussionen gehen momentan aber in eine ganz andere Richtung:
Der Westen wollte uns nicht haben, jedenfalls nicht gleichberechtigt, also
entkoppeln wir uns so weit wie möglich vom Westen, ökonomisch und politisch, und
setzen auf die Entwicklung einer eurasischen Wirtschafts- und
Sicherheitszone. Was der Westen will, ist Russland zunehmend gleichgültig.


| Jede Friedensinitiative muss sich mit vier kritischen Fragen befassen und einige
| sehr bedeutende Differenzen zwischen den Parteien und anderen Interessengruppen
| überbrücken.
|
| 1. Territorium. Das Territorium ist offensichtlich ein kritisches Thema, und die
| beiden Seiten liegen in dieser Frage weit auseinander. Die Ukraine will die
| Rückgabe aller Gebiete, die seit 2014 von Russland besetzt sind, einschließlich
| der Krim und des Donbass. Auf der Grundlage seines jüngsten Friedensvorschlags
| fordert Putin – der allein für Russland entscheiden wird, was akzeptabel ist
| oder nicht – öffentlich, dass die Ukraine noch mehr Territorium an Russland
| abgibt, als sie derzeit besetzt hält. ...
|
| Eine Option, von der einige Experten glauben, dass sie funktionieren könnte, ist
| die folgende: a) Die russischen Streitkräfte ziehen sich in Gebiete zurück, die
| Moskau vor Beginn des Krieges 2022 kontrolliert hat, d. h. auf die Krim und
| Teile von Donezk und Luhansk. b) Die Ukraine erklärt sich bereit, diese Gebiete
| nicht mit Gewalt zu befreien, sondern ihre endgültige Zukunft nur durch
| Verhandlungen und friedliche Mittel zu lösen. c.) Die verbleibenden Gebiete der
| Ukraine, die derzeit von Russland besetzt sind, werden für etwa zehn Jahre von
| einer Verwaltung mit UN-Mandat (einer Art Protektorat) verwaltet. Am Ende dieses
| Zeitraums würde ein international organisiertes Referendum darüber entscheiden,
| ob sich die Menschen in diesen Gebieten für eine Rückkehr in die Ukraine, einen
| Anschluss an Russland oder für eine andere Option entscheiden.

Russland soll alles aufgeben, was es seit 2022 erobert hat und es wieder der
Ukraine übergeben. Die Krim und der Donbass sollen an die UNO übergeben werden,
also an eine Art von Regierung, in der die USA an entscheidender Stelle
mitreden.

Völkerrechtlich kann man dagegen (fast) nichts einwenden. Diese Landstriche
gehören zur Ukraine von 1991-2013 und die Ukraine hat sie nie völkerrechtlich
gültig an Russland abgetreten. Dass Russland sich diese Gebiete
verfassungsrechtlich angegliedert hat, ist an dieser Stelle ohne Bedeutung.

Aber damit ist das politische Problem noch nicht geklärt. Es besteht in einer
robusten Sicherheitsgarantie für Russland. Denn diese Forderung Russlands führte
zu seinem Angriffskrieg: Was der Westen mir nicht gibt, obwohl er es mir
zugesagt hat (KSZE, Charta v Paris), hole ich mir mit Gewalt, die Sicherheit vor
der Nato.

| 2. Eine robuste Sicherheitsgarantie für die Ukraine. ...

Und da setzt dieses Konzept an einer Stelle an, die Russland erst in zweiter
Linie interessiert. Und da kommt der Autor mit einem Patentrezept: Wenn Russland
die Nato nicht in der Ukraine und die Ukraine nicht in der Nato sehen will, dann
wird die EU eben als Militärbündnis ausgebaut.

| Eine andere Option dürfte für eine künftige Trump-Regierung attraktiv sein: Die
| EU bietet Garantien, indem sie ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine, einem
| zukünftigen Mitglied der Entität, unterzeichnet. Angesichts der begrenzten
| Sicherheitskapazitäten der EU könnte dieses Engagement für die Sicherheit der
| Ukraine durch ein Engagement der beiden europäischen Atommächte Frankreich und
| des Vereinigten Königreichs ergänzt werden. Mit anderen Worten, beide Nationen
| würden sich verpflichten, einen Angriff auf das ukrainische Territorium nach der
| Besiedlung als Angriff auf sich selbst zu betrachten, auf den sie entsprechend
| reagieren würden. ...

Die EU wäre dann eine Ersatz-Nato, allemal auch unter der (fernen) Leitung der
USA stehend. Das Etikett wird gewechselt, der Inhalt bleibt derselbe.

| 3. Der Wiederaufbau der Ukraine. ... Auch wenn der amerikanische Privatsektor bereits
| Interesse bekundet hat – und hier können wir davon ausgehen, dass sich eine
| Trump-Regierung hervortun wird –, sollte angesichts des enormen Ausmaßes und der
| Brutalität der von ihr verursachten Zerstörungen ein wichtiger Verhandlungspunkt
| der Beitrag Russlands zum Wiederaufbau der Ukraine sein. Im Rahmen der Beilegung
| des Konflikts könnte bei der Diskussion über die Zukunft der Sanktionen gegen
| Russland ein Teil der eingefrorenen russischen Vermögenswerte für den
| Wiederaufbau verwendet werden.

Unverständlich: Je mehr die USA und EU-Staaten an Wiederaufbau übernehmen, desto
größer wird hinterher ihr Einfluss. Oder soll gerade das von Russland auch noch
finanziert werden?


| 4. Russlands diplomatisches Ansehen. Für Russland wird eine wesentliche
| Motivation für die Zustimmung zu einer ukrainischen Lösung die Vorteile der
| zukünftigen Beziehungen zum Westen und insbesondere zu den Vereinigten Staaten
| sein. Russische Diplomaten beschweren sich immer wieder, dass sich die
| Vereinigten Staaten "wegen der Ukraine" geweigert haben, sich an Diskussionen
| über kritische Themen wie den Nahen Osten, die europäische
| Sicherheitsarchitektur sowie Nuklear-, Raketen-, Cyber- und Weltraumfragen zu
| beteiligen. Manch einer mag das überraschen. Folglich müssen wir verstehen und
| dürfen nicht unterschätzen, wie sehr die russische Führung die Beziehungen zu
| den Vereinigten Staaten nach wie vor schätzt. Sie haben signalisiert, dass sie
| im Gegenzug für einen vereinbarten Fahrplan für bessere gegenseitige Beziehungen
| flexibler sein würden, was die Bedingungen für eine Lösung in der Ukraine
| angeht. Eine zukünftige Trump-Regierung sollte diese Karte klug ausspielen.

Russland hat seit einigen Jahren deutlich gemacht, dass es den Westen insgesamt
und die USA insbesondere für so unzuverlässige Vertragspartner hält, dass es
deren Vertragsfähigkeit, Vertragstreue und Vertragswürdigkeit insgesamt
anzweifelt.

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Alles in allem also kein Vorschlag, der Aussicht auf Verwirklichung, auf Erfolg
hat.




„Neue Akzente für den Traditionserlass: Mehr Kriegstüchtigkeit auch in der
Traditionspflege - Veröffentlicht am 26.07.2024 von T.Wiegold"
https://augengeradeaus.net/2024/07/neue-akzente-fuer-den-traditionserlass-mehr-kriegstuechtigkeit-auch-in-der-traditionspflege/

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| Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine will die Bundeswehr
| auch in ihrer Traditionspflege neue Akzente setzen. Die Bedeutung von
| Kriegstüchtigkeit und damit hoher Kampfkraft sei auch für die Traditionspflege
| bedeutsam, heißt es in neuen Ergänzenden Hinweisen zum 2018 in Kraft getretenen
| Traditionserlass der Bundeswehr. Bislang wurden sie nur intern in den
| Streitkräften verbreitet.
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Es geht um Vorbilder für „Kriegstüchtigkeit". In den „Ergänzungen" werden nur
Stabsoffiziere und Generale/Admirale genannt. Sehr seltsam. Ich kann mich aus
meiner Zeit noch an uralte Stabsfeldwebel erinnern, die schon in „Russland" mit
dabei waren.
https://augengeradeaus.net/wp-content/uploads/2024/07/Ergaenzende_Hinweise_Traditionserlass_12jul2024.pdf

Ein Beispiel:

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| Brigadegeneral Heinz Karst (1914-2002); Front- und Lehroffizier
| (Panzeraufklärer) im Zweiten Weltkrieg; in den ersten Jahrzehnten der
| Bundeswehr einer der prominentesten Vertreter der Inneren Führung; stand für
| deren Ausrichtung auf Kriegstauglichkeit und lehnte im Gegensatz zu Baudissin
| eine Überbetonung des zivilen Anteils an der Inneren Führung ab; setzte sich
| mit Nachdruck für die akademische Ausbildung des Offizierkorps ein. Wurde für
| seine auf Kriegstauglichkeit gerichteten Positionen Anfang der 70er Jahre
| unter anderem durch das Spiegel-Magazin öffentlich kritisiert.
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Schaut man seinen Lebenslauf bei Wikipedia an -
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Karst - würde man ihn heute rechts von der
jetzigen CDU einordnen, so irgendwo bei den Lukassen-Militärs der AfD.

Aber immerhin ist Heusinger, Hitlers Planer für den Krieg gegen die Sowjetunion
und späteren Generalinspekteuer der Bundeswehr und Namensgeber für den höchsten
Preis in der Offiziersaubildung der Bundeswehr -
https://de.wikipedia.org/wiki/General-Heusinger-Preis - nicht dabei.

--
https://friedenslage.blogspot.com/